
Die ersten 10
Tage der Ära Trump
Felicia Langer
Etwas vor einigen Monaten noch Unglaubliches
ist passiert, Amerika wird von Donald Trump
regiert… Der neue Präsident hat sich mit
einem äußerst kleinen Kreis von Beratern
umgeben, die ihm sehr wichtig sind.
Erstaunlicherweise fehlt ihnen jedoch die
Qualifikation, die für Trump als
Politneuling eigentlich am wichtigsten wäre
– politische Erfahrung. So z.B. sein
Chefberater Stephen Bannon, Mitbegründer der
rechtslastigen Online-Plattform „Breitbart
News“, und sein Schwiegersohn Yared Kushner,
Immobilienunternehmer und Berater, der für
israelische Siedlungen gerne viel Geld
spendet; sie sollen seine engsten Vertrauten
sein.
Am Tag der „Krönung“ von Donald Trump haben
wir einen Vorgeschmack von dem bekommen, was
wir von ihm zu erwarten haben. Er hat
erklärt, er habe bei seiner Amtseinführung
mehr Zuschauer gehabt als Barack Obama…Zwar
haben unabhängige Medien und TV-Zuschauer
das ganz anders gesehen, Luftbildaufnahmen
beweisen das eindeutig, aber Trump blieb bei
seiner Aussage und drohte den Medien. Seine
Beraterin verteidigte Trumps widerlegte
Behauptungen unter Druck als „alternative
Fakten“. Auch nach seiner Amtseinführung
hetzte Trump gegen seine Kritiker.
Der öffentliche Widerstand der Bürger in
Amerika gegen den neuen Präsidenten und den
neuen Ton in der Politik ist größer als
erwartet. Inzwischen kann man schon von
insgesamt Millionen sprechen, die sich
öffentlich gegen Trump und seinen Stil
aussprechen; viele demonstrieren zum ersten
Mal in ihrem Leben. Angesichts der üblichen
Schonfrist von 100 Tagen, die einem neuen
Amtsträger zugestanden wird, bis er sich in
sein Amt eingearbeitet hat, sprechen die
Millionen Demonstranten eine deutliche
Sprache.
„Das ist die gute Seite an diesem Gräuel.
Solch einen massiven demokratischen Willen
habe ich schon seit Jahren nicht mehr
gespürt“, sagte Gloria Steinem, eine
Symbolfigur der amerikanischen
Frauenbewegung (TAZ, 23.1.2017).
Auch amerikanische Wissenschaftler fürchten
Trump. „Beeinflussen Halbwahrheiten oder
Lügen künftig auch die Wissenschaft? Viele
US-Forscher machen sich Sorgen, denn
Präsident Trump zeigt für faktenbasierte
Forschung wenig Begeisterung oder sogar
offene Abneigung.“ (Schwäb. Tagblatt,
28.1.2017)
Trump hat u.a. sogar Folter befürwortet,
was mich persönlich sehr erschreckt hat.
Die israelische Regierung hingegen feiert.
Netanjahu kann seine Glücksgefühle nicht
verbergen. Der Siedlungsbau in Ostjerusalem
und im Westjordanland blüht. Für den
Friedensgipfel in Paris vor Trumps
Amtseinführung hatte Netanjahu eine
vielsagende Botschaft: Dieser Friedensgipfel
stelle die letzten Zuckungen einer Welt von
gestern dar. Der Morgen sehe anders aus,
schrieb er. Und es war klar, dass der Retter
Israels Präsident Trump sein werde.
Zwar sind die Verhandlungen über die
Verlegung der amerikanischen Botschaft von
Tel Aviv nach Jerusalem noch nicht im Gange
– diese Ankündigung Trumps hatte weltweit
für große Aufregung gesorgt -, aber die
Ernennung des Siedlungsbefürworters David
Friedmann, der sich auch finanziell für
israelische Siedlungen auf palästinensischem
Boden engagiert, zum amerikanischen
Botschafter spricht eine deutliche Sprache.
Die Regierungspartei Likud hat auch schon
einen Gesetzesentwurf parat, um Teile des
Westjordanlandes schrittweise zu
annektieren. – Sie verstehen sich ausnehmend
gut, Netanjahu und Donald Trump! Netanjahu
begrüßt und lobt die geplante Grenzmauer
zwischen Mexiko und den USA und nennt sie
eine großartiges Erfolgsprojekt.
Und jetzt, weniger als 10 Tage im Amt, hat
Trump per Dekret einen 90-tägigen
Einreisestopp für Menschen aus Syrien, dem
Iran, dem Irak, dem Sudan, Somalia, Libyen
und dem Jemen verfügt. Flüchtlinge aus aller
Welt sind für 120 Tage ausgesperrt. (Schwäb.
Tagblatt, 30.1.2017)
Die relevanten Behörden waren weder
informiert noch vorbereitet, Green Card
Besitzer sollten anfangs auch betroffen
sein, dann wurden sie wegen massiver
Proteste ausgenommen, britische Bürger mit
Doppelpass aus diesen Staaten waren
ausgenommen, die Bundesregierung konnte
kurzfristig jedoch nicht in Erfahrung
bringen, ob deutsche Staatsbürger mit
entsprechendem Doppelpass unter die Regelung
fallen…Frau Merkel hat die Maßnahme deutlich
kritisiert, sie hält Trumps Einreisebann für
falsch. Ebenso der iranische Außenminister
Mohamed Jawad Zarif: „Das ist ein großes
Geschenk an die Terroristen und ihre
Unterstützer.“
Offensichtlich hatte sich Präsident Trump
nicht mit betroffenen Ministerien beraten,
seine Minister sind auch noch nicht
vollzählig vom Parlament bestätigt, sondern
von seinem Chefberater Bannon beeinflussen
lassen, der ihm auch seine Antrittsrede
mitgeschrieben hat, die wegen ihres
polarisierenden Tons nicht gerade positiv
aufgenommen wurde. Die Zustände an den
Flughäfen waren chaotisch, da die
Einreisebehörden keine klaren eindeutigen
Anweisungen hatten, wie zu verfahren sei.
Zumindest teilweise hat ein New Yorker
Gericht den Einreisestopp vorläufig
gebremst, weitere Gerichtsentscheidungen
stehen noch aus, insbesondere die Prüfung
der Verfassungsmäßigkeit.
Im Schwäbischen Tagblatt vom 30.1.2017
schrieb der Kommentator Peter De Thier unter
dem Titel „Große Gefahr“: Von dem
logistischen Chaos, das Trump auslöste, ganz
abgesehen, hat er die größte Gefahr seines
verfassungswidrigen Dekrets übersehen: Er
schürt Hass gegen Amerika und könnte somit
einer neuen Welle des Extremismus den Boden
bereiten. Hätte Trump nicht die
Rückendeckung der eigenen Partei, dann wäre
er schon heute vielleicht reif für ein
Amtsenthebungsverfahren.“
Inzwischen zeigt sich, dass die
Republikaner, die Trump mehr widerwillig als
willig zu ihrem Präsidentschaftskandidaten
machten, dem Präsidenten Trump, der noch
genauso unberechenbar, unbeherrscht und von
Wahrheitsliebe unbeleckt wie im Wahlkampf
ist, zunehmend kritisch gegenüber stehen.
Noch sind es einzelne, wenn auch gewichtige
Stimmen, die sich öffentlich gegen ihn
äußern, doch sollten Trump
verfassungswidrige Handlungen nachgewiesen
werden, er weiter gegen politische
Gepflogenheiten verstoßen, geschäftliche
Interessen der Familie nicht von seiner
Politik trennen, womöglich das Parlament
belügen, wäre ein Amtsenthebungsverfahren
durchaus denkbar. Schon am Tage seiner
Amtseinführung gründete sich eine
entsprechende Bewegung (www.impeachdonaldtrumpnow.org)
.
Wir Menschen mit Gewissen hoffen, dass es zu
diesem Verfahren gegen Trump kommen wird.
Angesichts des politischen Schadens, den er
in nur 10Tagen anrichten konnte, je früher
desto besser.