
Das Jubiläum des Grauens
Felicia
Langer
Israel feiert 50
Jahre „rechtmäßige“ Siedlungspolitik. Die erste
Veranstaltung Netanyahus wird am 28. August im
Industriepark von Barkan, im Norden der
besetzten Gebiete stattfinden, und das in
Begleitung einer großen Zahl von Ministern und
Abgeordneten der israelischen Rechten.
(Palästina Portal, 23.8.2017)
Ich muss gestehen,
für mich war das wie ein Schlag ins Gesicht.
Hanan Ashrawi, Mitglied des Exekutivkomitees der
PLO sagte u.a.:
»Nachdem Israels
illegale Siedlungspolitik und Praktiken
eindeutig ein Kriegsverbrechen nach dem Rom
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
sind und das internationale Recht (Völkerrecht)
und Konventionen einschließlich der Resolutionen
des UN-Sicherheitsrates Nr. 446 (1979), 452
(1979), 465 (1980) und 2334 (2016) direkt
verletzen, wird jedes Unternehmen, das versucht
Geschäfte in den illegalen Siedlungen zu machen,
zum Komplizen des Verbrechens und ist daher
dafür vor Gericht verantwortlich.« (Palästina
Portal, 23.8.2017)
Meine
Vergangenheit kommt zu mir zurück. Als ich zum
ersten Mal ins Gefängnis von Hebron kam, das war
Ende 1969, bemerkte ich auf dem großen Hof eine
Frau mit einem kleinen Kind und einige „Yeshiva“-Studenten.
Neben ihnen lag diverser Hausrat. Auf meine
Frage, was sie dort machen, antwortete mir einer
der Soldaten: „Das sind die Siedler von Hebron.
Das sind die, die nicht arbeiten, aber
garantiert viel Geld kriegen“.
Ich zitiere aus
meinem Buch „Zorn und Hoffnung“: »Das war meine
erste Begegnung mit den Angehörigen der neuen
Siedlung in der „Stadt der Väter“. Danach sah
ich sie öfters im dortigen Militärgericht
versammelt, wo sie die Verhandlungen verfolgten.
Sie verhehlten ihre Freude nicht, wenn einer der
„Eingeborenen“ bestraft wurde, deren
Gefängniszellen nur wenige Schritte von den
Räumen entfernt lagen, in denen sie
untergebracht waren.
Ich beobachtete dort einmal eine Szene, die sich
in mein Gedächtnis einbrannte: Im Gefängnishof
standen lange Tische, beladen mit Delikatessen,
um die herum sich die Siedler niederließen. Ich
bahnte mir einen Weg durch die fröhlichen
Reihen, und ein Gefängniswärter erklärte mir,
daß sie eine Hochzeit feierten, und da seien sie
eben glücklich. Die Stimmen der Feiernden
drangen durch die Gitterstäbe.
Ich konnte mich nur wundern, wie sie hier
fröhlich sein konnten, zwischen den
Gefängnismauern, und was die Einwohner von
Hebron, eingezwängt in ihren finsteren Zellen,
beim Klang der heiteren Lieder wohl fühlen
mochten. Ich fragte mich auch, wie die Siedler
seelenruhig im Schutz unserer Panzer leben
konnten, mit der militärischen Stärke des
Regimes als Garantie für ihre Existenz vor Ort.
Wie erklärten die Kindergärtnerinnen und die
Lehrerinnen den Kindern diese Nachbarn, die
Häftlinge, mit den gelblichen Gesichtern denen
ein täglicher Spaziergang von einer
Viertelstunde vergönnt war?
Und was sagten die Erzieherinnen, wenn sie
zusammen mit ihren Schützlingen auf Massen von
Frauen und Kindern stießen, die ihre Verwandten
besuchten? Wie brachten sie den Kindern die
Begriffe von Gut und Böse bei, um sie sicher
durchs Leben zu geleiten? Und was für eine
Schule konnte das sein, der der Gefängnishof als
Spielplatz diente?«
Ich bin Zeugin von
vielen Enteignungen palästinensischen Landes
gewesen und bin gegen viele juristisch
vorgegangen, aber meistens vergebens. Die
Gerichtsverfahren sind zu einer Farce geworden.
Ich weiß, wie die Bauern empfinden, wenn der
Bulldozer das Land zerstört, und mit ihm alles,
was über Generationen aufgebaut und gepflegt
wurde. Ich werde nie die Worte einer meiner
Mandanten vergessen, im Jahre 1980:
»Sagen Sie ihnen,
daß wir hier seit Beginn der Zeit leben. Dieser
Boden stammt aus dem Staub unserer verstorbenen
Lieben. Wir haben das Land mit unserem Schweiß
begossen und mit unserem Blut getränkt. Unsere
Toten haben wir hier begraben. Wir sind tief mit
ihm verwurzelt und sind durch seine große Güte
ernährt worden. Selbst die Steine auf ihm
gehören uns.« (Zeit der Steine, F.L.)
So denken die
Enteigneten und die Entwurzelten bis zum
heutigen Tag, und kein unverschämtes
Grauens-Jubiläum wird das ändern.
Das Völkerrecht,
die Gerechtigkeit werden das letzte Wort haben,
und die Menschen mit Gewissen überall, auch in
Israel, den Kriegsverbrechern zum Trotz.