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Pater Rainer Fielenbach berichte
ganz herzliche Grüße aus Bethlehem. Die Situation hier
ist ziemlich deprimierend. Auch wenn tagsüber Bethlehem
den Eindruck einer "normalen" Stadt erweckt, so täuscht
es doch nicht über die reale Situation hinweg. Abends um
19.30 Uhr ist die Innenstadt wie ausgestorben
(Bild
vom Krippenplatz vor der Geburtskirche-
19:30 - In der bin ich als Ausländer allein, wenn ich
sie besuche).
Einige
Fotos vom Bau des Sperrwalls rund um Bethlehem (vor den
israelischen Siedlungen Gilo und Har Homa) zeugen von
der Absicht Sharons, Bethlehem endgültig in ein großes
Gefängnis zu verwandeln, das es jetzt schon ist. Am
einzigen Checkpoint aus der Stadt Richtung Jerusalem
kommt fast keiner durch, unter Umständen, wenn er eine
besondere Erlaubnis hat. Sonntag nachmittag bis Montag
abend ist der Checkpoint wegen des Jom Kipur Tages in
Israel total geschlossen. Selbst Ausländer kommen nicht
raus. Der Container-Checkpoint im Osten der Stadt ist
nur zeitweise geöffnet, ebenso Durchkommen nur für
wenige. Wie gesagt, Bethlehem ist ein großes Gefängnis.
Die
Fotos vom Sperrwall
zeigen,
wie gut man bei Mauerbau der DDR gelernt hat. Fahrstraße
- Elektrozaun - Sperrstreifen - Metallzaun zeigen, dass
es in kurzer Zeit unmöglich sein wird, Bethlehem
irgendwo abseits des Checkpoints verlassen kann. Und das
noch nicht einmal die 8 m hohe Mauer, wie sie in
Qualkilia und Tulkarem kilometerweit bereits steht.
Unglaublich ist, mit welcher Schnelligkeit plötzlich der
gigantische Sperr" Zaun" weitergebaut ist. Plötzlich
sind weitere hundert Meter fertig gestellt, ist Land
enteignet mit den Ölbäumen, müssen Bewohner ihre Häuser
verlassen.
Und
wenn heute nachmittag wieder ein schreckliches Attentat
in Haifa passiert ist, so ist auch das wieder ein Akt
der Verzweiflung gegen die brutale Besetzung der
israelischen Armee. Nun bleibt abzuwarten, was sich die
israelische Armee in den nächsten Stunden an neuem Druck
und neuer Gewalt einfallen läßt.
Gerne dürfen Sie die Fotos für Ihre
Homepage verwenden. Die Menschen sollen endlich
kapieren, was hier vor sich geht.
Mit
leider keinen erfreulichen Meldungen aus der
Geburtsstadt Jesu für heute
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Gas-Notstand
in Bethlehem
- 10.10.03
auf einer Sonderseite |
Bethlehem, 13.10.2003

Container-Checkpoint zwischen
Bethlehem und Ostjerusalem, bzw. Richtung Ramallah.
auch heute wieder neue
"Eindrücke" aus Bethlehem.
Tatsachen hören oder im Fernsehen
anschauen ist etwas völlig anderes, als sie selbst
zu erleben. Gestern wurde mir dies erneut bewußt.
Oft habe ich von israelischen Checkpoint Filme
gesehen oder Berichte gehört. Gestern Nachmittag
fuhren wir zum Container-Checkpoint zwischen
Bethlehem und Ostjerusalem, bzw. Richtung Ramallah.
Dies ist die einzige Möglichkeit, auf
palästinensischem Gebiet nach Ostjerusalem, Ramallah
und ist gesamte Gebiet der Westbank zu gelangen.
Aber seit 10 Tagen ist der Checkpoint völlig
geschlossen, wie alle anderen im Lande auch. Das
bedeutet, dass Arbeiter nicht mehr zu ihren
Arbeitsstätten kommen, viele Studenten zur Uni,
Kranke zu Fachärzten oder in Fachkliniken, usw. 200
m vom Checkpoint entfernt herrschte große Aufregung.
Ca. 20 Taxibusse standen dort, kamen mit neuen
Fahrgästen an, nahmen andere mit zurück nach
Bethlehem. Der Weg ging jedoch nicht über den
geschlossenen Checkpoint. Hunderte rannten in der
halben Stunde, in der ich dort war, ca. 200 m den
Berg hinauf, andere rannten aus Richtung
Ostjerusalem kommend hinunter, alte Menschen unter
besonders großen Anstrengungen, Frauen, viele
Studenten, Handwerker, etc. Viele hatten Decken
dabei, da sie während der Woche irgendwo in
Ostjerusalem (gehört zur pal. Autonomie) schlafen
und nicht jeden Tag diese Tortur und den psychischen
Stress mitmachen können. Denn diese 200 m zu
überwinden ist ein Wettlauf mit dem Tod oder die
Gefahr, festgenommen und verhaftet zu werden.
Erst an diesem Nachmittag hatten die israelischen
Soldaten plötzlich die Taxis und Flüchtenden
beschossen - Gott sei Dank wurde niemand verletzt
und "nur" die Autoscheiben eines Taxis zerschossen!
Die Fotos können leider nicht
annähernd die Stimmung wiedergeben. Sie sind
lediglich der hilflose Versuch, Menschen in
Deutschland ein Geschehen wenigstens ein bisschen
deutlich zu machen, das nicht zu beschreiben ist!
Warum dies alles?
- Es gibt nur wenige ganz existenzielle Gründe:
gegen einen geringen Lohn in Jerusalem arbeiten um
zu überleben und die Familie am Leben zu
halten (Bethlehem hat seit über 3 Jahren über 65 %
Arbeitslosigkeit und das bei den großen Familien mit
meist 8-10 Personen), die Uni nicht dauernd zu
versäumen (und damit die Zukunft noch mehr auf's
Spiel zu setzen), zum Arzt zu kommen ...
Man kann sich kaum vorstellen,
welch psychischem Stress diese Menschen ausgesetzt
sind. Wie schon erwähnt, man kann es letztlich nicht
beschreiben, sondern nur selbst erleben und
ohnmächtig mit steigernder Wut zuschauen. Eindeutig
geht es da nicht um die vielbeschworene Sicherheit
der Israelischen Regierung, sondern einzig und
allein darum, die Palästinenser unter
unvorstellbaren Druck zu setzen und ihr Leben
unmöglich zu machen.
Das zeigt auch das heutige
Beispiel in der 850 Schüler zählenden evangelischen
Schule Talita Kumi. Direktor Dr.
Wilhelm Goller berichtet mir bei meinem Besuch heute
morgen, dass die Schüler aus den umliegenden Dörfern
jenseits der Checkpoints wieder einmal nicht die
Schulbusse nehmen konnten (geschlossene Checkpoints)
und über die Hügel und Felder laufen mussten. Dabei
wurden sie wie gewohnt von den israelsischen
Soldaten längere Zeit festgehalten und
eingeschüchtert - Schulbeginn in Bethlehem!
- Ziel: Druck machen, einschüchtern.... - Keine
Frage der Sicherheit!
Geschichten dieser Art lassen
sich beliebig fortsetzen, denn fast jeder
Gesprächspartner hat "seine" Geschichten und
Erlebnisse.
Übrigens: Mein letzter Versuch,
doch noch nach Jenin zu kommen, ist heute morgen
gescheitert: drei Taxis wollten die Stadt verlassen,
einer wurde am ersten Checkpoint zurückgeschickt,
die beiden anderen vorübergehend verhaftet.
Herzlich grüßt Sie alle, denen das
Schicksal der Menschen im Heiligen Land nicht egal
ist

Der Weg ging
.... nicht über den geschlossenen Checkpoint.
Hunderte rannten in der halben Stunde, in der ich dort war,
ca. 200 m den Berg hinauf, andere rannten aus Richtung
Ostjerusalem kommend hinunter, alte Menschen unter besonders
großen Anstrengungen, Frauen, viele Studenten, Handwerker,
etc. Viele hatten Decken dabei, da sie während der Woche
irgendwo in Ostjerusalem (gehört zur pal. Autonomie)
schlafen und nicht jeden Tag diese Tortur und den
psychischen Stress mitmachen können. Denn diese 200
m zu überwinden ist ein Wettlauf mit dem Tod oder die
Gefahr, festgenommen und verhaftet zu werden.
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zunächst
ganz herzlichen dank von meinen freunden hier, dass sie
sich so des palästinensischen volkes annehmen und dazu
beitragen, infos über die realität zu verbreiten. ich
bedauere sehr, dass sie nicht hier sind und diese
abendlichen gespräche mitverfolgen können. jeder bericht
und die beschreibung jedes schicksals sind wirklich nur
der mühsame versuch, zu beschreiben, was eigentlich
nicht beschrieben werden kann. Z.B. müssten sie dirar in
seiner erzählung real erleben. wenn das vertrauen da
ist, ist er nicht mehr zu bremsen und erzählt, was ihm
auf der seele brennt, worüber er vielleicht so noch nie
geredet hat. das hat nichts mehr mit propagada oder
orientalischer übertreibung zu tun. daher nun der
folgende und wahrscheinlich aktuell letzte bericht aus
bethlehem:
Und damit
Bethlehem und Dirar heute:
In Bethlehem
gibt es bei 70 % Arbeitslosigkeit keine Arbeit für ihn.
Er arbeitet für einen Lohn, mit dem seine Familie nicht
überleben kann, als Nachtdienst im Hotel. Er braucht
eine 2. Arbeitsstelle. In Jerusalem kann er in einer
kirchlichen Einrichtung arbeiten. Doch das vor der
Haustür liegende Jerusalem aber ist seit drei Jahren für
Palästinenser bis auf wenige Ausnahmen unerreichbar.
Dirar hat also
keine andere Wahl, als als "illegaler" Arbeiter unter
Lebensgefahr jeden Morgen nach seinem Nachtdienst
irgendwie zu seiner Jerusalemer Arbeitsstelle zu kommen.
Das heißt: Fahrt in die Wüste nördlich von Bethlehem. 2
km Lauf um die Checkpoints (siehe Fotos "Checkpoint
Container" vom 13.10.), Überklettern der Mauer in
Bethanien, weitere 3 km zu Fuß, da eine Taxifahrt zur
Arbeitsstelle nicht möglich ist - sie dürfen ihn nicht
mitnehmen, da er ja keine Arbeits- und
Aufenthaltserlaubnis für Jerusalem hat.
Nachmittags der
gleiche Weg zurück. Dirar macht dies unter der ständigen
Gefahr, be- oder erschossen oder inhaftiert zu werden,
sobald er von den patrollierenden israelischen Soldaten
gesichtet wird.
Die letzten Tage
ging es "gut": Dirar wurde jedes Mal wegen der absoluten
israelischen Kontrollen erwischt, einmal konnte er
fliehen und sich verstecken, die anderen Male ließen sie
ihn nach 3 Stunden wieder laufen. Auf die zynische
Frage: Was willst du hier? hat er nur die eine Antwort:
"Ich will etwas zum Essen haben für mich und meine
Familie!"
Und das alles
für 20 Euro.
Nachmittags ab
17.00 Uhr warte ich mit großer Sorge darauf, ob Dirar
den Rückweg schafft. Eine Alternative zu diesem Leben
gibt es nicht.
Und morgen früh
geht Dirar wieder!
Übrigens:
dieses Leben teilen täglich tausende Palästinenser !
Und wenn jemand dabei sein Leben verliert, schreiben
unsere deutschen Medien (wenn überhaupt)
wahrscheinlich wieder: "Mutmaßlicher Terrorist
erschossen".
Dr. Behrouz
Khosrozadeh, Göttingen (07.10.2003) kommentierte das
letzte Selbstmordattentat von Haifa so: "Tatsächlich
ist der palästinensische Gewaltakt wie eine
zweiseitige Medaille. Die eine: das Töten von
Zivilisten als Ausdruck der Ohnmacht und auf der
anderen: das endlose Leid eines okkupierten Volkes.
Wenn eine ausgebildete junge Juristin ihr Leben so
gering schätzt und sich entschließt, zahlreiche
unschuldige Israelis mit in den Tod zu nehmen, weil
sie an die Mörder ihres Bruders nicht herankommt,
dann sollte man meinen, dass fast jeder
Palästinenser, Mann und Frau, eine Zeitbombe für
Israel darstellt,
solange es sich an deren
Schicksal nichts ändert.
"
Und gerade kommt
per Telefon noch ein weiteres Beispiel aus Jenin: Ein
junger Mann aus einem von Jenin 15 km entfernten Dorf
wollte heute endlich seine Verlobte in Jenin heiraten.
Die israelische Armee ließ ihn nach über 30 Tagen
Ausgangssperre nicht durch. Er besorgte sich ein Attest
"Notfall für's Krankenhaus", die Ambulanz durfte ihn
abholen, in die Stadt transportieren und die Hochzeit
konnte stattfinden. Seine Eltern machten den Weg ab dem
Checkpoint durch die Berge zu Fuß.
Nach der Feier
ließen die israelischen Soldaten Eltern, Bräutigam und
Braut (im weißen Kleid) am Checkpoint wieder nicht
passieren. Der weitere Rückweg erfolgte zu Fuß unter
Lebensgefahr, erwischt zu werden:
Ehebeginn in Palästina
Aus dem immer
noch abgeriegelten Bethlehem
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Mo 20.10.2003 21:03
Rückkehr
aus Bethlehem
Lieber Herr Arendt,
Donnerstag Nacht bin ich "gut" wieder aus Bethlehem
zurückgekommen. Alles ging gut ab. Nur meinen Laptop hätten sie bei der Security im Flughafen bald Mr. Sharon selbst
gebracht. Sie sind fast nicht mehr geworden mit ihrer Untersuchung.
Musste alle möglichen Teile ausbauen, usw. Eine Atombombenuntersuchung
war nichts dagegen. Aber Gott sei Dank haben sie meine Berichte und
Fotos nicht gefunden. In Bethlehem gab es vor der Abreise noch mal große Aufregung und Wut,
weil sie Hassen und andere nicht über den Container-Checkpoint
rauslassen wollten. In 2 Stunden für ein paar 100 m 3 Versuche. Jedes
Mal in der Wüste einen steilen Berg hinauf, dann standen sie oben mit
ihren Waffen und schickten die Leute wieder zurück. Dann bin ich mit
ihm an den Checkpoint gefahren. Ca. 12 junge Kerle, ca. 20-22 Jahre
alt schickten uns wieder zurück "total closed". Andere hatten
inzwischen einen neuen Weg noch oben versucht, sehr steil, Frauen mit
ganz kleinen Kindern, alte Menschen, die immer wieder hinfielen.
Es war ein Bild des Grauens und 50 m daneben stehen die
Israelis - ihr Gewehr im Anschlag. Wirklich akute Lebensgefahr, weil
niemand weiß, ob oder wann sie schießen. Und wenn du unten zuschaust,
wächst sekundlich die ohnmächtige Wut vor allem auch darüber, nichts
tun zu können. Aber Gott sei Dank hat Hassan es dann geschafft. Oben konnte er dann in ein Taxi
steigen, ohne kontrolliert zu werden. Mit Sicherheit hat das absolut
nichts zu tun, sondern nur mit Demütigung und Druck. Es ist zum
Davonlaufen. Aber die neue Taktik Sharons zahlt sich aus, denn es viel billiger und
geschieht ohne Öffentlichkeit, als wenn z.B. Bethlehem innerhalb der
Stadt besetzt wird. Denn mit geschlossenen Checkpoints lässt sich
jeder Ort in seinen Verbindungsstraßen total abriegeln und
kontrollieren. "Was sollen wir tun?! - der Satz, den jeder x mal wiederholt und auf
den ich auch nur schweigend mit einem Achselzucken reagieren kann. Und so sind die Palästinenser unheimlich dankbar für jeden, der in die
Stadt kommt!
Soviel für heute und wir bleiben dran. Wir dürfen die
Menschen dort nicht allein und im Stich lassen. Viele Grüße, Salam und Shalom
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