Der Trump-Plan gegenüber
einem realistischen Plan
Ein
Papier der Genfer Initiative
Seit Jahren haben wir von der Genfer
Initiative auf eine Zwei-Staaten-Lösung
gedrängt – eine Lösung, die von vielen
ungerechtfertigterweise gepriesen wurde und
von der viele behaupteten, sie sei nicht
mehr lebensfähig. Frieden und die
Zwei-Staaten-Lösung sind endlich zurück auf
der öffentlichen Agenda, Schlagzeilen
überschlagen sich mit Analysen darüber, wie
eine echte Lösung aussieht. Viele
hinterfragen die Substanz des
amerikanisch-(israelischen) Plans, und neue
Wellen des Engagements entstehen zu einem
Thema, dass vorübergehend auf Eis gelegt zu
sein schien.
Trotzdem ist eine Rückkehr zur Debatte
einfach nicht genug.
Wenn man auf den amerikanischen Plan durch
ein Prisma schaut und ihn für bare Münze
nimmt, könnte man ihn zunächst als etwas
einer positiven Entwicklung interpretieren.
Der ständige Bezug auf einen lebensfähigen
palästinensischen Staat, territoriale
Kompromisse, das Bestreben beider Völker zu
legitimieren und anderes, führen dazu, dass
man glaubt, die Ausarbeitung des Plans
beruhe auf Gegenseitigkeit. Sieht man jedoch
genauer hin, wird deutlich, dass dem Plan
die wahren Grundprinzipien eines
Friedensplanes, der von den Interessen
beider Konfliktparteien abhängt, die zur
Verhandlung kommen, um einen fairen, durch
einen unparteiischen Mediator unterstützten
Prozess zu beginnen.
Genau aus diesem Grunde müssen wir diese
Gelegenheit nutzen, um zu betonen, wie
wichtig die Genfer Konventionen sind: ein
glaubwürdiges, verhandeltes Muster eines
Friedensabkommen, das auf gegenseitigem
Vertrauen, Dialog und Kompromissen beider
Parteien basiert. Bis zu diesem Tag blieb es
das beste und wahre Musterbeispiel der
Verhandlungen und zeigt, dass ein Abkommen
zwischen Israelis und Palästinensern
erreicht werden kann, das den wahren
Interessen beider Parteien dient.
Die Grenzen des amerikanischen Plans
Es ist ein Annexionsplan, kein
Friedensplan. In jeder Hinsicht
ignoriert der Plan die international
anerkannten Erklärungen (einschließlich der
bindenden UN-Sicherheitsratsresolutionen)
und die langjährige palästinensische
Position hinsichtlich aller zuvor erwähnten
Probleme und ist deshalb im Kern ein
Blindgänger. Bereits vor dem Beginn der
Verhandlungen und obwohl der Zeitrahmen noch
nicht eindeutig ist, wird Israel die
Befugnis eingeräumt, unilaterale Schritte zu
unternehmen. Hingegen sind die Palästinenser
an fünf praktisch unüberwindbare und
unerreichbare Voraussetzungen gebunden, die
sie erfüllen müssen, bevor „Staatlichkeit“
gewährleistet werden kann.
Die Voraussetzungen beinhalten die
Realisierung demokratischer Institutionen
und die Errichtung einer Rechtsstaatlichkeit
mit einer unabhängigen Justiz,
Pressefreiheit, faire Wahlen und
kreditwürdige Finanzinstitute nach „ Art des
Westens“; ein Gebiet und eine Bevölkerung,
völlig entmilitarisiert; und ein
Bildungssystem, das „alle Programme
beendet hat, einschließlich Schullehrplänen
und Lehrbücher, die dazu dienen, gegen seine
Nachbarn aufzuhetzen oder Hass oder
Feindseligkeit zu fördern.“
Darüberhinaus soll das genaue Urteil, ob die
oben genannten Kriterien erfüllt wurden, von
Israel und den Vereinigten Staaten gefällt
werden. Man kann kaum die Subjektivität
dieser Entscheidung ignorieren, die Israel
die Macht eines Vetos einräumt, über jedes
einzelne Thema zu entscheiden – von der
Interpretation des Begriffs „entmilitarisiert“,
bis zu der Entscheidung darüber, welcher
Wortlaut „Feindseligkeit fördern“
könnte. Der Letztere wirft im Übrigen
bedeutende ethische Fragen zum Begriff der
historischen Erzählung, nationalen Identität
und Kultur auf, über die der Staat
selbstverständlich selbst entscheiden und
das Land, gegen das der Konflikt geführt
wurde, kein Veto einlegen sollte.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der
nicht durchführbaren Bestimmungen fällt es
schwer, das Dokument nicht als einen
181-seitigen Vorwand zu interpretieren, um
die israelische Kontrolle über Siedlungen
und das unilateral erweiterte israelische
Recht zu festigen, d.h. Souveränität über
Gebiete in der Westbank. Am wichtigsten ist,
dass dieser Schritt den Weg zur Bildung
eines binationalen Staates ebnen und somit
die zionistische Vision eines demokratischen
Staates für das jüdische Volk mit gleichen
Rechten für alle bedrohen könnte.
Der palästinensische Staat, der aus dem
Deal hervorgehen soll, ähnelt in keinster
Weise einem Staat und kommt nicht
annähernd an einen „Staat-Minus“ (evtl.
Minimum-Staat??/I.G.) heran; man kann
ihn bestenfalls als eine limitierte
Autonomie bezeichnen. In jeder Hinsicht –
von außen und im Innern – wird die
palästinensische Entität durch Israel
eingeschränkt. Nach außen „behält der
Staat Israel die übergeordnete
Sicherheitsverantwortung bei“ über das
palästinensische Gebiet. Dazu gehören:
Internationale Übergänge, die Bewegung von
Personen und die Abwicklung von Waren an
seinen Grenzen. Unter anderem überwacht
Israel auch weiterhin den palästinensischen
Luftraum und das elektromagnetische
Spektrum. Im Innern „behält Israel das
Recht, jede Einrichtung in dem Staat
Palästina, die zur Produktion von verbotenen
Waffen oder sonstige feindliche Zwecke
benutzt wird, abzubauen und zu zerstören“.
Eine derartige offene Terminologie lässt
Raum für jede Interpretation dessen, was man
unter „sonstige feindliche Zwecke“
versteht. Das könnte so weit gehen, dass
bestimmte Medien, Bildungsinstitute oder
vielleicht sogar Kulturstätten als bösartig
erachtet werden könnten. Der
palästinensische „Staat“ verbleibt auf drei
Säulen: Abhängigkeit von -, Unterwürfigkeit
gegenüber – und Beherrschung durch - Israel.
Und bei jedem der Kernprobleme, die als
„Endstatus-Fragen“ bezeichnet werden,
kratzte der Vorschlag noch nicht einmal an
der Oberfläche der Zone eines möglichen
Abkommens.
Bezüglich des Gebiets: Der zukünftige
palästinensische Staat würde circa 84 % des
Gebietes vor 1967 betragen (das sind 18% des
gesamten Israel-Palästinas). Bedenken Sie,
dass alle ernsthaften Vorschläge der
Vergangenheit, darunter die Genfer Abkommen,
mehr als 90 % des Gebietes dem
palästinensischen Staat zugewiesen haben.
Sogar der gegenwärtige von Israel
eigenmächtig festgesetzte Verlauf des
Trennzaunes belässt 92 % des Gebietes auf
palästinensischer Seite.
Landtausch:
Der laut Plan vorgeschlagene Austausch (von
Land) beläuft sich auf 30 %, gegenüber 14 %
zu Israels Gunsten, und ist nicht
ausgeglichen, was Menge und Qualität
betrifft. Das Gebiet, das Israel annektiert,
schließt 54 palästinensische Dörfer ein, mit
geschätzten 140.000 Einwohnern, zusätzlich
zu den 220.000 Einwohnern aus Ostjerusalem
sowie ein schmales Stück Land innerhalb des
Gazastreifens. Gleichzeitig werden 15
Siedlungen, die 15.000 Siedler beherbergen
als Enklaven in Palästina verbleiben.
Bevölkerungstransfer: Der Vorschlag
zur Einbeziehung „des Triangels“ bei diesem
Landtausch wirft ethische Bedenken auf
hinsichtlich eines ethnisch-bedingten
Bevölkerungstransfers (was ungefähr 300.000
Bürger Israels betreffen könnte) und der
Wahrnehmung der arabischen Bürger Israels
als fünfte Kolonne in Israel, was erneut
negative Untertöne aufgrund des kürzlich
verabschiedeten Nationalstaatsgesetzes
entfachen könnte und die Spannungen
wahrscheinlich noch verstärkt.
Die Genfer
Initiative im Hinblick auf den Landtausch:
Im Gegenzug zur Annexion des Landes in den
Grenzen von vor 1967 wird Israel
alternatives Land den Palästinensern
übergeben, das auf einem Verhältnis von 1:1
basiert. Das Gebiet des annektierten und
ausgetauschten Landes wird sich auf 2,2 %
belaufen und von gleicher Qualität und
Quantität sein. Die große Mehrheit der
Israelis, die hinter den Grenzen von 1967
lebt, wird auf dem Land, was Israel
annektiert, bleiben (ohne palästinensische
Präsenz) und das an Palästina übergebene
Land wird ein unbevölkertes Gebiet.
Bezüglich Grenzen: Der Plan gibt die
1967 Grenzen als Basis für die Grenzen
zwischen Israel und dem voraussichtlichen
palästinensischen Staat auf. Anstatt dessen
wird die palästinensische Entität nicht
zusammenhängend sein und aus einer Reihe von
sechs Inseln bestehen, die von den Fingern
der israelischen Annexion, die von allen
Seiten in der Westbank hervorragen,
durchdrungen werden. Verbunden durch ein
Netzwerk von Straßen, Brücken und Tunneln,
wird das fragmentierte palästinensische
Archipel mit einem inhärent
wirtschaftlich-sozialen Nachteil entstehen,
aufgrund der getrennten Bevölkerung und
eines fehlenden externen Zugangs. Die
geografische Zusammensetzung dient auch
nicht den besten Interessen des Staates. Der
vom israelischen Gebiet umgebene
palästinensische Staat hat keinen Auslauf
und Raum zum Atmen. Er ist in allen Punkten
eingeschränkt. Derweil wird die 1.370 km
lange in Serpentinen verlaufende Grenze (4
mal länger als die Grenze, die aus den
Linien von 1967 besteht), die den
palästinensischen Staat umzingelt, wird weit
entfernt davon sein, Israels
Sicherheitsinteressen zu dienen. Es ist
ungeschützt nach allen Seiten.
Genfer
Initiative bezüglich Grenzen:
Die Demarkationslinie ist auf
demografischen, sicherheitstechnischen und
historischen Parametern bedeutend für beide
Seiten, indem sie die Kontinuität des
palästinensischen Staates zu sichern und die
Anzahl der israelischen Siedler zu
minimieren, die nach Israel zurückkehren
müssen. Die Grenze wird die dauerhafte,
sichere und anerkannte internationale Grenze
zwischen den beiden Staaten bilden,
basierend auf der Grenze von 1967 (siehe die
Karte unterhalb).
Vergleichskarten von Dan
Rothem
Bezüglich Sicherheit: Laut dem Plan
wird Israel der ultimative Schiedsrichter
von Palästinas Sicherheitsleistung und durch
eine Reihe von Benchmarks für seine
Entwicklung in Richtung Staatlichkeit
verantwortlich. Israels Sicherheit muss
Vorrang haben und die palästinensische
Souveränität bezahlt den Preis dafür. Gemäß
dem Plan erhält Israel die explizite und
exklusive Verantwortung für alles, was
westlich des Jordan-Flusses liegt. Da die
Gebiete praktisch verstrickt sind und ein
israelischer Staat den palästinensischen
umgibt, werden die Sicherheitsbedenken
wahrscheinlich verschärft, nicht gelindert.
Genfer
Initiative bezüglich Sicherheit:
Palästina und Israel sollen sich gegenseitig
anerkennen und das Recht des anderen
respektieren, in Frieden innerhalb sicherer
und anerkannter Grenzen frei von Bedrohung
oder Aktionen von Krieg, Terrorismus und
Gewalt zu leben. Der palästinensische Staat
wird entmilitarisiert; die palästinensischen
Sicherheitskräfte werden die Grenzkontrolle
aufrecht erhalten und eine multinationale
Einheit wird etabliert, um Palästina
Sicherheitsgarantien zu geben, während
spezielle langzeitig befristete
Vereinbarungen Israels Bedürfnisse
befriedigen.
Bezüglich Jerusalem: Es gibt keine
palästinensische Souveränität über
irgendeinen Teil von Al-Quds, und keinen
palästinensischen Status auf dem Tempelberg.
Anstatt den Status Quo aufrechtzuerhalten,
kippt es ihn tatsächlich um. Das den
Palästinensern als Hauptstadt angebotene
Gebiet, setzt sich aus nicht
zusammenhängenden palästinensischen Dörfern
zusammen, die von Israel zu Jerusalem
annektiert und durch den Sicherheitszaun
getrennt wurden, der jenseits von
Ostjerusalem liegt. Auch wenn der Plan den
Palästinensern erlaubt, dieses Gebiet „Al-Quds“
zu nennen, ändert das selbstverständlich
nichts an der Tatsache, dass es geografisch
nichts mit der palästinensischen Definition
von Al Quds zu tun hat. Es gibt wenig
Sensibilität oder Anerkennung im Hinblick
auf die Verbindung der Palästinenser zu der
Stadt Jerusalem.
Genfer
Initiative zu Jerusalem:
Die Parteien sollen ihre gegenseitig
anerkannten Hauptstädte in den Gebieten von
Jerusalem unter ihrer jeweiligen
Souveränität haben; das jüdische Viertel von
Jerusalem wird unter israelischer
Souveränität und das arabische Viertel von
Jerusalem wird unter palästinensischer
Souveränität sein; die Parteien werden sich
verpflichten, den Charakter, die Heiligkeit
und die Religionsfreiheit in der Stadt zu
wahren. Sonderabkommen für die Altstadt
werden freien Zugang gewähren, mit einem
besetzten Ein- und Ausgang durch die
Behörden, die die Souveränität für diese
Stelle besitzen.
Bezüglich der Flüchtlinge: Der Plan
dient dazu, Israels Narrative und Standpunkt
im Hinblick auf die Flüchtlinge zu stärken
und versäumt, adequate oder faire Lösungen
für die Anerkennung, Wahl des Wohnsitzes
oder Fragen der Entschädigung
bereitzustellen. Er setzt das Leiden der
jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern
mit denen der Palästinenser gleich, die in
den Jahren 1947 – 48 und 1967 aus ihren
Häusern fliehen mussten und gaben die Schuld
anderen arabischen Ländern, die die
Palästinenser in der Vergangenheit nicht
aufgenommen haben. Nicht nur, dass der Plan
es versäumt, einigen Flüchtlingen auch nur
eine symbolische Einreise nach Israel zu
verschaffen, der vorgesehene
palästinensische „Staat“ ist limitiert und
unterliegt einem israelischen Veto.
Genfer
Initiative bezüglich Flüchtlinge:
Die Flüchtlinge werden das Recht auf
Entschädigung für ihren Flüchtlingsstatus
und für den Verlust ihres Eigentums erhalten
und werden das Recht auf Rückkehr in den
Staat Palästina haben. Die Flüchtlinge
könnten auch wählen, in ihren gegenwärtigen
Gastländern zu bleiben oder in Drittländer
umzuziehen, darunter auch Israel (was gemäß
einer zuvor vereinbarten und der
internationalen Kommission vorgelegten
Anzahl und gemäß der Durchschnittsanzahl,
die von Drittländern akzeptiert wurde,
entschieden wird.)
Übersetzt von Inga Gelsdorf
|