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Vik zum Gedenken
Jeff Halper
15. April 2011
Es ist kaum zwei Wochen her, dass ich Juliano Mer
Khamis, einen Freund und Mitstreiter, verloren habe, da muss ich um
meinen Free Gaza-Schiffskameraden Vittorio Arrigoni trauern. Er
wurde gestern Abend in Gaza von religiösen Extremisten brutal
ermordet, Vik, der übrigens Juliano ähnelte – äußerlich und auch mit
seinem lebensbejahenden Wesen und seiner beharrlichen Präsenz, wenn
die Unterdrückten ihn brauchten.
Vik war wahrhaftig überlebensgroß. Er war
randvoll mit Energie und einer Mischung von Lebenslust,
Kameradschaftschaftlichkeit und Ungeduld angesichts von
Beschränkungen und Gefängnissen wie Gaza. Da konnte es passieren,
dass er einen plötzlich in die Luft hob oder mit einem rangelte – er
war ein großer, starker, gutaussehender Kerl. Er behielt seinen
Überschwang und sein Lächeln auch unter Druck und Gefahr, als ob er
einem sagen wollte: Jallah! Diese israelischen Marineboote, die auf
uns und die palästinensischen Fischer schießen, die können unserer
Solidarität, unserer Wut und unserer gerechten Sache doch nichts
anhaben! (Bei einer solchen Konfrontation wurde Vik verwundet.) Oft
fiel er einen aus Spaß von hinten an und warf einen lachend zu Boden
mit den Worten: „Siehst Du! Genauso kommt die Besatzung zu Fall.“
Vik, der so wie ich die palästinensische
Staatsangehörigkeit und einen Pass erhielt, als wir im August 2008
die Blockade brachen und in den Hafen von Gaza einfuhren – Vik war
ein exemplarischer Friedenskämpfer. Obwohl er in Italien Familie
hatte, entschied er sich für ein Leben mit den Palästinensern, aus
vollem Herzen. Auf seiner Face Book-Seite steht „lebt in Gaza“. Er
war besonders dafür bekannt, dass er die Fischer begleitete, wenn
sie versuchten, ihrer Arbeit nachzugehen, trotz des beinah täglichen
Beschusses durch die israelische Marine, die sie in den
leergefischten, Abwasser verseuchten schmalen Küstengewässern von
Gaza einzwängten. In den letzten zehn Jahren wurden wenigstens 18
Fischer getötet, etwa 200 verletzt, zahlreiche Boote versenkt und
Ausrüstung zerstört. Aber Vik setzte sich überall voll ein, wo immer
er gebraucht wurde, für Bauern, für traumatisierte Kinder, in Zeiten
der Not. Sein Buch „Gaza – Mensch bleiben“ dokumentiert, was er
während des dreiwöchigen israelischen Angriffs Ende 2008 und Anfang
2009 mit den Menschen erlebte, als er einfach bei ihnen blieb in
ihren Cafés und in ihren Häusern.
Vor zwei Tagen, als sich herumsprach, dass er
gekidnappt worden war, gab es sofort Hunderte von Appellen von
Seiten der internationalen Friedensszene, aber ganz besonders aus
der verzweifelten palästinensischen Bevölkerung in Gaza. Heute
werden dort und anderswo in den besetzten Gebieten Trauerfeiern
gehalten.
Vik war außer in Gaza auch in der Westbank tätig,
wurde dort dreimal eingesperrt und schließlich von Israel
ausgewiesen. Aber seine Friedensarbeit bestand nicht nur in
Aktionen. Vic war ein Meister der Kommunikation – mit Gesten, mit
Worten – mündlich und schriftlich. Sein Blog namens Guerilla Radio
war in Italien ungeheuer populär. Scheinbar ohne Anstrengung verband
er seine persönlichen Erfahrungen mit Reportagen und Analysen.
Vik war, was man einen „Zeugen“ nennt: jemand,
der sich körperlich auf die Seite der Unterdrückten stellt und ihre
Siege, ihre Tragödien, ihre Leiden und ihre Hoffnungen mit ihnen
teilt. Zugleich war er jemand, der durch seine Aktionen wirklich
etwas verändern wollte. Er und Juliano Mer Khamis, Rachel Corrie und
die vielen anderen, die ihr Leben für Frieden und Gerechtigkeit in
Palästina geopfert haben, hinterlässt ein riesengroßes Loch in
unseren Herzen, unserem Leben, unserem Kampf.
O Mann, Du wirst mir fehlen. Doch jedes Mal, wenn
ich müde oder mutlos bin, werde ich das Gefühl haben, Du hebst mich
hoch über Deinen Kopf und drohst mir, mit breitem Grinsen und lautem
Gelächter, mich über Bord zu werfen, wenn ich nur im geringsten
zögere, weiter zu kämpfen. Du warst und bist die Urkraft des Kampfes
gegen die Ungerechtigkeit. Du bleibst unsere Stütze und unsere
Inspiration. Wie die palästinensischen Fischer, die Du so geliebt
hast, fühlen wir und alle unsere Mitstreiter uns in der Pflicht,
Deine Vision zu Ende zu führen. Leb wohl, mein Freund.
Jeff Halper ist Gründer und Leiter des
„Israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD)“www.icahd.org
Aus dem Englischen von Ulrike Vestring
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