Wir zielen auch auf Zivilisten
Idan Landau, Ynet News
, 2. März 2007
Die Ziele, die die israelischen
Waffen im Visier haben, sind nicht hehrer, als die
der palästinensischen Rohrbomben.
Die Al-Sanabal-Fernsehstation in
Nablus hätte fast einen Exklusiv-Bericht in dieser
Woche ausgestrahlt: die Eliteeinheit der
Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden überfiel in der
Küstenebene einen israelischen
Militärrüstungsbetrieb und entdeckte dort ein
raffiniertes Waffenlabor. Die Waffen, die dort
konfisziert wurden, schließen 300 Raketen für
Helikopter, 20 t Plastik- Explosivstoffe,
kugelsichere Bulldozer und sechs Merkava 4 Panzer
mit ein.
Der Bericht, der beinahe
ausgestrahlt worden wäre, bemerkte, dass dies eine
Strategiebalance gegenüber dem Waffenlabor wäre, das
in Nablus bei dem Militärüberfall entdeckt wurde.
Dort hätte das Militär 5 Rohrbomben, eine LAW-Rakete,
ein großes Sprengstoffgerät und vier Säcke Dünger
entdeckt, die zum Bombenbau Verwendung finden.
Wie bemerkt, wurde der Bericht
nicht ausgestrahlt. Nicht nur, weil Israels
Militärrüstungslabor gar nicht entdeckt worden war,
sondern auch weil Al-Sanabel außer Funktion gesetzt
wurde. Die IDF verhaftete den Stationschef und
konfiszierte seine ganze Fernseh-Ausrüstung. Warum
überfällt die IDF Journalisten und die
Medienausrüstung? Dies scheint eine irrelevante
Frage zu sein und in der augenblicklichen Situation
fast unmoralisch.
Warum belagert die IDF ein
Regierungskrankenhaus in Nablus und verhindert, dass
verletzte Palästinenser dorthin gebracht werden?
Warum besetzt die IDF eine Schule und macht sie zu
einem Shin-Bet-Verhörzentrum? Welche Sünde hat Anan
al-Tabibi begangen, als er von einem Scharfschützen
in seinem eigenen Hof in den Kopf geschossen wurde?
Das sind wieder unlogische Fragen. Wir sind im
Krieg, und im Krieg gibt es keinen Grund, genau zu
sein, wenn es darum geht, das Leben von Zivilisten
zu schützen.
Doch das stimmt nicht. Dies ist
kein Krieg, sondern ein einseitiger Überfall auf
eine palästinensische Stadt, und selbst in Kriegen
gibt es explizite Verbote, die gegenüber der zivilen
Bevölkerung einzuhalten sind. Die IDF hat
anscheinend noch nichts davon gehört. Die
palästinensische Bevölkerung, einschließlich ihres
Vermögens und ihrer Bedürfnisse sind für die
einfallende Armee wie dünne Luft.
Es ist zweifelhaft, ob jemand in
Israel über das entdeckte Waffenlabor in Nablus
erstaunt war. Es ist sogar noch schwieriger, daran
zu glauben, dass jemand über die strategische
Bedrohung, der Israel angesichts der Quantität und
lächerlichen Qualität der konfiszierten Waffen
geschockt war.
Was erwartet sie denn? Dass die
Palästinenser unseren Luftangriffen und
Panzerraketen mit bloßer Brust und einem Olivenzweig
entgegentreten? Dies ist ein gewaltsamer Konflikt,
und jede Seite versucht, sich bis an die Zähne zu
bewaffnen.
Die von der israelischen
Rüstungsindustrie produzierten Panzergranaten dienen
keinen höheren Zielen als die der Rohrbomben in
Nablus. Beide werden heimtückisch und willkürlich
gegen unschuldige Zivilisten benützt. Der
Unterschied liegt nur in der Kraft. Der immense
Schaden, der durch Israels militärische Hightech
verursacht wird, kann nicht mit dem begrenzten
Schaden verglichen werden, den palästinensischer
Terror in Israels Städten verursacht.
Viele Israelis halten an dem
überstrapazierten Argument fest: „Wir wollen doch
keine Zivilisten verletzen – aber sie tun es“. Nach
5000 getöteten Palästinensern ( einschließlich über
1000 Minderjährigen), 50 000 verletzten
Palästinensern, 30 000 eingerissener Häuser und 13
Millionen (!) ausgerissener Olivenbäume, erscheint
diese Rechtfertigung wie ein schlechter Witz und
nichts anderes. Es ist besser still zu sein und sich
zu schämen.
Keinen Dialog mit der arabischen
Welt
Wir sagen, Terrorismus benötigt
keine Entschuldigung, nur Gelegenheiten: es scheint,
dass die periodischen Invasionen der IDF in die
Westbankstädte und die Zerstörung, die sie
hinterlassen auch keine Entschuldigung brauchen. Und
doch ist es schwierig, den augenblicklichen
militärischen Aktivismus nicht mit der
diplomatischen Eiszeit, besonders der letzten
Wochen zu sehen.
Innerhalb einer erstaunlich
kurzen Zeit gelang es der Olmert-Regierung, fast
jede mögliche Tür für den Dialog mit der arabischen
Welt zuzuschlagen. Das Mecca-Abkommen über
palästinensische Einheit brachte nichts Gutes,
knurrten die Offiziellen in Jerusalem. Mit den
Syrern ist es uns nicht einmal erlaubt, Kontakte
aufzunehmen, sonst würden wir den Big Brother
irritieren. Nicht einmal die Entlassung des
entführten IDF-Soldaten Gilad Shalit ist für die
Regierung dringend genug.
Diplomaten fliegen von einer
europäischen Hauptstadt zur anderen und nach Kairo.
US-Außenministerin Rice kommt und geht – und alles
bleibt wie vorher.
Tatsächlich bewegen sich aber
einige Dinge, die sich ständig rühren – die
Siedlungen. Mehr als 1000 neue Wohneinheiten sind
gebaut worden, während ein Polizeihauptquartier vor
kurzem im E1-Gebiet bei Maale Adumim errichtet
wurde, um dies mit Jerusalem zu verbinden und so ein
für alle Mal die nördliche Westbank von der
südlichen abzutrennen; inzwischen wird auch der
Mauer/Zaunbau nach Osten fortgesetzt.
Dies ist unangenehm: Olmert und
Peretz sitzen da, schwitzen und fragen sich: wie
kommen wir aus dem Tohuwabohu heraus? Die
Internationale Gemeinschaft beginnt schon, an
Israels Bereitschaft zu zweifeln, ob es überhaupt an
einem Friedenabkommen interessiert ist. Die
israelische Öffentlichkeit langweilt sich und hat
die Nase voll von Zeilers und Winograds.
Die Esterina Tartman –Affäre
dauerte kaum anderthalb Tage. Und plötzlich stürzt
der Generalstabschef mit funkelnden Augen herein:
„Ich hab eine Idee! Wie wär’s, wenn wir Nablus
überfallen? Wir werden ein paar Häuser in die Luft
jagen, mit fünf Rohrbomben zurückkommen. Die Welt
wird sehen, mit was für einer Sorte von Abschaum wir
zu tun haben – und das Volk Israel wird wieder stolz
sein. Hmmm, sagt Olmert - hmmm stimmt Peretz zu.
(Idan Landau ist
Linguistik-Dozent der Ben Gurion-Universität. Er
verbrachte eine Zeit im Gefängnis, weil er sich
weigerte, im Gazastreifen und in der Westbank
Militärdienst zu tun)
(dt. Ellen Rohlfs) |