Anfang September 2006
Liebe Freunde,
In Mitten dieser schweren
Zeit, schreibe ich, weil ich weiß, dass Sie alle an uns denken,
mit uns fühlen, und sich Sorgen machen um alle Menschen in
Israel und Palästina, in Libanon und der in ganzen Region. Es
sind schwer fassbare Entwicklungen, und erschreckende
Verhaltensweisen der Politiker hier und dort. Es geht nicht um
das Leben oder Wohlergehen der Menschen, sondern um die Wahrung
der Gesichter und Status von Militär, es geht um die
Verwirklichung von Ideologien und Expansion. Es geht um
Beherrschung und Bestimmung über Andere. Manche wundern sich,
wieso es explodiert hat. Doch wir haben darauf gewartet, wir
wussten, es müsste kommen, denn die Besatzung wurde noch
brutaler und die Unterdrückung und Demütigung wie auch
Missachtung von Menschenrechte und Völkerrechte gingen weiter.
Macht und Gewalt ergänzen und fördern sich gegenseitig. Wer mit
dem Feuer spielt, verbrennt sich die Hände, und wer sich für
diesen Kreislauf entscheidet, trägt Verantwortung für die
Konsequenzen. Da darf nichts zu verteidigen oder zu
rechtfertigen geben.
Seit fünf Jahren sind die Friedensgespräche
blockiert weil es beschlossen wurde,
dass auf
Palästinensischer Seite keine Partner für den Frieden gäben. Der
Alleingang Israels die Politik in der Region rücksichtslos zu
bestimmen, eine Mauer zu bauen und mehr als die Hälfte der
Westbank einzuverleiben und damit die Grundlage für Palästina zu
zerstören, und das als Frieden zu deklarieren, hat die radikale
und militante Entwicklung gefördert. Die Asymmetrie in der Macht
und in der Zusammensetzung der Allianz zwischen Machthaber und
Machtlose hat Ideale, Werte und Prinzipien der Menschlichkeit
in Frage gestellt. Verzweiflung und Ohnmacht führen zum
Fatalismus und Zerstörung.
Die letzten Monate waren sehr schwer,
was Politik und Gesellschaft angeht. Es ist so schwer, dass es
weh tut, darüber zu berichten. Ich konzentriere mich in diesem
schreiben auf meine Arbeit und die Erlebnisse mit den Frauen und
jugendlichen im Rahmen der Arbeit, einfach um Stärke und
Hoffnung zu pflegen. Es war und ist immer noch eine intensive
Zeit, was meine Arbeit mit den Jugendlichen und Frauen
betrifft. Ich könnte jeden Tag an einem anderen ort solche
Seminare machen. Sie sind sehr wichtig und die Leute wollen es.
Ich habe mit dem katholischen Priester ein Programm begonnen mit
den Verlobten Paare. Erst wollte niemand glauben, dass das geht.
Manche waren schüchtern und manche haben sich "geschämt", weil
man so etwas nicht kennt, manche wollten glauben, dass sie alles
wüssten. Wir haben jetzt sechs Seminare, mit 22 Paaren gemacht.
Es war großartig: Sie haben ihren Wunsch geäußert, dass sie nach
dem Heiraten diese Seminare weiter machen wollen. Das ist das
Schönste was ich nun erlebe. Ja, wir werden mit jungen Paaren
weiter machen. Auch moslemische sind daran interessiert, und
genau das wollen wir: Neue Generation hervorbringen, die
gemeinsam Aufgabe und Verantwortung mit einer Botschaft
annimmt. Ich wollte meine Freude ausdrücke, denn solche
Erfahrung gehört zu unserem Leben auch, und sie bewusst
wahrnehmen verhilft das Schwere zu tragen.
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Das Treffen der Mädchen
und Frauengruppen in der gemieteten Wohnung für Begegnung
ist sehr gut, und nimmt die Struktur von Mädchen und
Frauentreff an. Gespräche, Beratung, Lernmöglichkeit und
Begegnung stärkt die menschliche Annäherung und ermutigt
zur eigenen Initiative. Sie fühlen sich geschützt und
geborgen, sie pflegen Zugehörigkeitsgefühl und
Gemeinschaftsaktivitäten, sie nutzen die Chance der
Selbsterziehung und Bildung. Inzwischen sind zwei
Computerkurse angeboten, und vier Computer stehen zur
Training zur Verfügung. Alle, die an Seminaren teilnehmen,
haben Zugang zum Internet und Computer täglich. Unter
Beaufsichtigung und Anleitung von drei Studentinnen lernen
die Mädchen und Frauen sich mit Computer und Internet
vertraut zu machen, und bekommen die Fähigkeit, mit ihren
Familien im Ausland in ständigem Kontakt zu bleiben. Die
Freude ist sehr groß, vor allem, wenn sie erkennen, dass das
erlernbar ist und dass sie sich an beschlossen fühlen an die
heutige Zeit. Viele Schülerinnen brauchen Internet für
Schulaufgaben und nur hier können sie kostenlos Zugang
haben. So können alle dabei sein, auch die, die kaum Geld
haben.
Neben den
zwei Frauen Gruppen und den zwei Mädchengruppen in Birzeit und
Umgebung, haben wir eine neue Frauengruppe im Dorf Deir Ibsi’
bei Ramallah erreichen können. Diese Frauengruppe hatte
beantragt bei Global Fund for Women in USA, um Hilfe zu
bekommen. Ich war gebeten worden, mich um die Gruppe zu
kümmern. Als ich sie besuchte, fand ich 30 Frauen, die
sehnsüchtig darauf warteten, dass jemand ihre Wünsche anhört,
und ihnen verhilft eigene Frauenorganisation zu gründen. Ich
fühlte mich angesprochen und wir machten 12 Seminare in drei
Monaten. Zwei dieser Frauen waren im Dorfrat gewählt worden und
brauchten dringend Anleitung und Übung, wie sie ihre Aufgaben im
Dorfrat verrichten, und ihre Rolle gut machen. Wir haben unsere
Seminare so geplant, dass alle Frauen gewaltfreie Kommunikation
und Dialog lernen, und sich stärken innerlich. Dazu lernen wir
in dieser Gruppe, wie man ein Thema, das wichtig ist für das
Dorf, angesprochen werden muss und wie Lobby dafür gemacht wird.
Die ganze Gruppe ist eine Lobby geworden für die zwei
Dorfratfrauen. Sie werden einbezogen im denken und im Tragen der
Verantwortung. Wir schaffen Friedenskultur. Wir diskutieren
intensiv, politische, soziale und religiöse Fragen und nehmen
uns oft unsere Tradition und Gebräuche unter der Lupe. Das Gute
fesseln wir uns daran, das nachteilig für uns ist, versuchen
wir vorsichtig, doch gewiss zu ändern. Die Frauen Organisation
ist jetzt offiziell registriert, und alle Frauen bringen ihre
Töchter mit. Die Frauen haben Initiative ergriffen, wie Felder
mit Weizen, andere mit Gemüse gepflanzt und aus dem Erlös,
beigetragen, dass ein Labor für die Schule errichtet werden
konnte. Nach unserem Seminar über Ernährung und Umwelt, haben
die Seminarfrauen den Kiosk in der Schule umgestaltet und alle
Esssachen mit Farbstoff und Süßigkeiten abgelehnt und vom Neuen,
„Sandwich von Zuhause“ eingeführt. Statt Cola und Sprite, gibt
es nur Wasser und Haus-gemachte Limonade. Es ist eine schöne
Erfahrung und ich bin so gerührt und gestärkt von der Stärke und
den Willen dieser Frauen.
Jetzt Anfang September, beginnt das Schuljahr.
Alle öffentlichen Schulen streiken, weil alle Angestellten im
öffentlichen Dienst seit sieben Monaten keine Gehälter bekommen
haben. Die Regierung hat kein Geld, sie wird blockiert und
Europe wie auch andere Länder geben kaum Geld für Palästina
mehr. Sie wollen erzwingen, dass die Regierung fällt. Bis dahin,
entstehen Schäden an den Menschen und ein Zerfall der
Gesellschaft verstärkt sich.
Ich arbeite hart darauf, dass
ich die Genehmigung für Jerusalem-Einreise bekomme. Dann könnte
die Friedenserziehung auch dort beginnen und über Jerusalem nach
Talitha Kumi zu gelangen würde ich mindestens drei Stunden
sparen. Das wäre schön.
Ich
möchte allen herzlich danken, die diese Arbeit unterstützen.
Ohne diese Hilfe und die Begleitung wäre vieles nicht möglich.
Sumaya
Farhat-Naser |