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Kommentar des Monats November 2011 für: "Das Palästina Portal"

von Abraham Melzer


 

 

Dieter Graumann und die Palästinenser


 


 

Antisemiten glauben, dass alle Juden reich und klug seien. Sie müssten mal Dieter Graumann, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, kennenlernen, damit sie endlich erführen, dass es auch andere Juden gibt. In seinem antipalästinensischen Beitrag in der Jüdischen Allgemeinen vom 15.9.2011 zeigt sich Graumann von seiner proisraelischen Seite, und beweist, dass er als Freund Israels, diesem auch Schaden zufügen kann. Denn wer den Unfug liest, den Graumann geschrieben hat, muss daran zweifeln, dass hier ein verantwortungsbewusster Politiker spricht. Ich verstehe, dass er bereit ist, alles, wirklich alles, für Israel zu tun, auch wenn er Israel damit keineswegs hilft. Man fragt sich jedoch, wie ein Mensch so dogmatisch und blind sein kann, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, oder nicht sehen will.


 

Schon der erste Satz in Graumanns Pamphlet ist vollkommen unverständlich und absurd: „Wer jetzt einen Staat ausruft, lobt damit die Verweigerung des Friedensprozesses“. Die Logik dieses unsinnigen Satzes mag sich mir auch nach mehrmaligem Lesen nicht eröffnen. Wann sollen die Palästinenser ihren Staat denn ausrufen, wenn nicht jetzt? Immerhin haben die Juden schon seit mehr als zweiundsechzig Jahren ihren eigenen Staat. Sollen die Palästinenser warten, bis Dieter Graumann oder der Zentralrat der Juden in Deutschland es ihnen in einem Gnadenakt erlaubt? Und wieso ist das überhaupt eine Frage, zu der Dieter Graumann uns unbedingt seine Meinung aufzwingen muss? Hat er denn in seinem Job als Präsident des Zentralrats nichts zu tun, sodass er Mahmud Abbas unbedingt seine naiven und absolut inkompetenten Ratschläge erteilen muss? Und wieso können die Palästinenser nicht mehr mit Israel verhandeln, wenn sie einen eigenen Staat haben? Ist es nicht eher so, dass sie dann noch mehr Interesse an einem Frieden haben müssten, um das soeben Erreichte nicht zu gefährden? Und dass man sehr wohl weiterverhandeln kann, obwohl man bereits unabhängig ist, beweist doch der Fall Südsudan. Aber wir sollten uns nicht allzu viele Gedanken über diese absurde Logik und politische Inkompetenz machen, die sich Graumann sicher bei Lieberman oder jedem anderen rechtsradikalen israelischen Politiker abgeschaut hat, um sich als würdiger Vertreter der israelischen Regierung auszuweisen.


 

Graumanns Problem, welches auch das Problem Liebermans und Netanjahus ist, scheint die Tatsache zu sein, dass Abbas sich weigert, eine Gegenleistung zu präsentieren. Wieso eigentlich „Gegenleistung“? Schuldet Abbas den Israelis eine Gegenleistung dafür, dass er nicht um ihre Zustimmung zu seinem mutigen Gang vor die UN-_Generalversammlung gefragt hat? Und was sollte das für eine „Gegenleistung“ sein? Israel als „jüdischen Staat“ anzuerkennen? Wenn Abbas das getan hätte, dann wären doch Netanjahu und Liebermann sofort mit weiteren Forderungen gekommen. Aber selbst wenn Abbas versprochen hätte, jeden Morgen die israelische Nationalhymne „Hatikva“ zu singen, hätte ihm das nicht geholfen, denn man wäre sehr bald auf eine neue Forderung gekommen, in der Hoffnung, Abbas würde sie nicht erfüllen können. Und wieso sollte die palästinensische Führung Israel nicht mehr nur als demokratischen Staat, sondern zusätzlich als „jüdischen Staat“ anerkennen? Dazu waren sogar die Amerikaner nicht bereit, weshalb Präsident Truman den Zusatz „jüdischer Staat“ auf dem Dokument, mit dem die USA Israel seinerzeit anerkannten, durchstrich. Kein anderer Staat, der Mitglied der UN ist, einschließlich Deutschlands, der beste Freund Israels, der dessen Sicherheit in Form einer „Staatsräson“ in Stein gemeißelt hat, hat Israel als „jüdischen Staat“ anerkannt. Und von keinem anderen Staat hat Israel bisher einen derartigen Unfug verlangt. Warum sollten es die Palästinenser also tun?



 

Graumann klagt darüber, dass die PLO sich mit der Hamas verbrüdert habe. Hat sich 1948 nicht auch die Hagana mit dem Irgun, dem terroristischen Arm der jüdischen Bevölkerung Palästinas, verbrüdert? Man sollte nicht vergessen, dass die Hamas immerhin eine Erfindung Israels ist und 2006 aus absolut freien und fairen Wahlen als Siegerin hervorgegangen ist. Das Ergebnis hat den Amerikanern und Israelis freilich nicht gefallen. Manche Ergebnisse der israelischen Wahlen gefallen auch den Palästinensern und vielen anderen Menschen auf der Welt nicht, zum Beispiel das Ergebnis der letzten Wahlen, aus denen zwei solch rechtsradikale Führer wie Netanjahu und Lieberman hervorgegangen sind. Es ist nun mal so bei demokratischen Wahlen, dass das Volk entscheidet, und nicht der Feind. Alle europäischen und amerikanischen Wahlbeobachter bestätigen aber, dass es eine durch und durch demokratische Wahl gewesen ist. Was nun, Herr Graumann? Ich verstehe, dass Ihnen die Hamas nicht gefällt, aber vielleicht gefallen Sie ja auch der Hamas nicht?


 

Sie meinen, dass die Hamas nicht nur das „zionistische Gebilde“ vernichten wolle, sondern alle Juden der Welt. Das ist wohl ein ähnlicher Unsinn wie der von den „Protokollen der Weisen von Zion“, jetzt aber umgemünzt auf die Palästinenser. Worauf stützen Sie sich bei dieser Behauptung? Auf zionistische Reaktionäre wie Ulrich Sahm, Matthias Küntzel oder Gudrun Eussner, die alle ihrem Guru Henryk Broder nacheifern, und es mit der Wahrheit nicht so besonders ernst nehmen, zumal es ja darum geht, die Hamas zu diffamieren? Was wollen Sie der Hamas vorwerfen? Dass sie in ihrer Charta festgeschrieben hat, dass „das Land Palästina „heiliger Besitz“ sei“? Behaupten das die national-religiösen Siedler und sogar der Likud nicht auch in ihrer Charta, und steht das nicht auch in der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel? Wollen Sie der Hamas vorwerfen, dass an den Händen ihrer Aktivisten Blut klebt? Nebbich. Wie viel Blut klebt denn an den Händen Scharons, Netanjahus, Baraks und manch anderer israelischer Politiker? Blut ist im Nahen Osten billig, besonders arabisches Blut. Und Barak ist nicht als Kriegsverbrecher verurteilt worden, als er bei einem Terrorakt in Beirut mutmaßliche palästinensische Terroristen und Zivilpersonen ermordet hat. Im Gegenteil, er ist dafür mit den höchsten Orden der israelischen Armee dekoriert worden. Betonen denn nicht die Israelis immer wieder, dass sie sich im Krieg befänden? Hat nicht erst kürzlich der ehemalige Oberrabbiner der israelischen Armee die Soldaten aufgefordert, keine Gefangenen mehr zu machen – damit man keine mehr eintauschen kann –, sondern die „mutmaßlichen“ Terroristen in ihren Betten zu töten? Ist das keine Aufforderung zum Mord?


 

Sie beschweren sich darüber, dass die Hamas Israel nicht anerkennt. Hat denn Israel die Hamas anerkannt? Ist denn Israel bereit, die Hamas anzuerkennen? Sie beschuldigen die Hamas, Israel vernichten zu wollen. Will denn Israel nicht auch die Hamas vernichten? War denn die Invasion Gazas vom Dezember 2008 kein solcher Versuch? Ich habe von Ihnen kein Wort der Kritik und erst recht kein Wort des Bedauerns gehört, allein schon über die mehr als 1400 Opfer, darunter viele Frauen und Kinder.


 

Sie meinen, dass wichtige Fragen eines künftigen Friedens so nicht gelöst werden könnten, weil damit „erfolgreiche Verhandlungen“ in weitere Ferne rückten. Wen wollen Sie hier überzeugen? Sich selbst vielleicht oder diejenigen, die so denken wie Sie? Von welchen erfolgreichen Verhandlungen sprechen Sie? Erfolgreich vielleicht für die Israelis, die, wie es ihr Außenminister Avigdor Lieberman, sagte, auch neunundneunzig Jahre lang verhandeln würden, um die Entstehung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Sie sind blind oder tun nur so, um uns allen Sand in die Augen zu streuen und von der Schuld der Israelis an der seit Jahren desolaten Situation abzulenken. Dass sich die Verhandlungen in einer Sackgasse befinden, ist wahrlich nicht die Schuld der Palästinenser. Von ihrer Seite macht es absolut keinen Sinn, die Verhandlungen zu blockieren. Es macht aber auch keinen Sinn, mit den Israelis über einen eigenen Staat zu verhandeln, während diese Tag für Tag mehr Land rauben und Tag für Tag Palästinenser enteignen und aus ihren Häusern vertreiben.


 

Sie schreiben richtig, dass ein „gemeinsamer Frieden niemals einseitig aufgezwungen werden kann“. Dabei geht es den Palästinensern bei ihrem Antrag zunächst einmal nicht um den Frieden, so wichtig dieser auch ist, sondern einzig und allein um ihre Anerkennung als Volk, als Nation, als Staat. Warum sollte diese verweigert werden, wenn nicht allein aus dem Grund, dass man einen palästinensischen Staat verhindern will? Und was ist daran einseitig? Hat denn Israel die Palästinenser um Erlaubnis gefragt, als Ben-Gurion „einseitig“ den jüdischen Staat ausgerufen hat? Hat denn Israel die Palästinenser um Erlaubnis gefragt, als es begonnen hat, einseitig Siedlungen in den besetzten Gebieten zu bauen, unter eklatanter Missachtung des i geltenden Völkerrechts? Hat denn Israel irgendwen um Erlaubnis gefragt, als es angefangen hat, die Mauer zu bauen, um damit noch mehr palästinensisches Land konfiszieren zu können? Sie schreiben weiter, vollkommen zu Recht: „Wer die Einseitigkeit zum Prinzip erklärt, der offenbart, dass es ihm gar nicht um den Frieden geht“. Merken Sie eigentlich nicht selbst, wie sehr dieser Satz zur Politik Israels passt ?


 

Wieder sind die Israelis dabei, eine Chance zu verpassen, und wieder stehen jüdische Funktionäre wie Sie bereit und applaudieren laut und peinlich. Ich frage mich, wieso Sie sich überhaupt zum Nahostproblem äußern. Sie sind Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und sollten sich um die Probleme der Juden in Deutschland kümmern. Ich habe nirgendwo in der Satzung des Zentralrats gelesen, dass es zu Iihren Aufgaben gehört, sich um den Nahostkonflikt zu kümmern. Hören Sie doch endlich auf, die jüdischen Mitbürger/innen, die zumeist deutsche Staatsbürger sind, zu verwirren, indem Sie ihnen eine doppelte Identität vorgaukeln. Wenn Sie diese israelische Staatspropaganda immer wiederholen und sich geistig auf das Niveau der Israelis einlassen, dann ist es wohl wahr, was schon Ihre Vorgängerin in aller Öffentlichkeit gesagt hat, dass nämlich Israel ihre „geistige Heimat“ sei. Dies trifft offensichtlich auch auf Sie zu, und es fällt einem schwer, das zu begreifen. Man fragt sich, was dann Deutschland ist, etwa immer noch ein Durchgangsland? Auch Sie scheinen sich in einer doppelten Identität zu bewegen und stürzen damit auch den gesamten Zentralrat samt seinem agilen und oftmals peinlichen Generalsekretär in eine Identitätskrise, dass man zuweilen glauben möchte, der Zentralrat sei die Außenstelle des israelischen Propagandaministeriums.


 

Ist Ihnen Ihre Aufgabe zu klein, zu eng, zu provinziell, weshalb Sie sich nun auch um die Weltpolitik kümmern müssen? Woher nehmen Sie die Arroganz und Überheblichkeit, zu glauben, dass die Palästinenser Ihren Ratschlag nötig haben? Haben Sie denn schon einmal den Israelis einen ehrlichen und wahrhaftigen Ratschlag gegeben? Haben Sie die Israelis schon einmal vor ihrer Hybris gewarnt und sie ermahnt, endlich mit ehrlichen und aufrichtigen Gesprächen mit den Palästinensern zu beginnen? Haben Sie etwa protestiert, als Avigdor Lieberman gesagt hat, dass er nicht einmal in neunundneunzig Jahren bereit sein werde, mit den Palästinensern über ihren Staat zu reden? Haben Sie den Oberrabbiner der israelischen Armee an die jüdische Moral und Ethik eines Ihrer Vorgänger, des Rabbiners Leo Baeck, erinnert, der in seinem Buch über das Judentum, „Religion der Vernunft“, an die Ethik eines Rabbi Hillel erinnerte und diese der christlichen Ethik gegenüberstellte? Halten Sie es für „vernünftig“, was Israel seit Jahren und Jahrzehnten tut? Die Palästinenser und die gesamte Arabische Liga haben schon längst ihre Bereitschaft zum Frieden mit Israel signalisiert. Israel hat aber immer wieder abgelehnt oder diese Bereitschaft schlichtweg ignoriert. Wie viele Friedensangebote will Israel noch ablehnen? Wie viel Land will es noch rauben? Wie viele Israelis und Palästinenser müssen noch sterben, bis eine Wende im israelischen (und in Ihrem) Verhalten eintritt?


 

Sie werden indes nicht müde, vor sogenannten einseitigen Schritten zu warnen. Wie können Sie so blind und selbstgerecht sein und glauben, dass all Ihre Leser es Ihnen abnehmen, wenn Sie behaupten, die Palästinenser machten einseitige Schritte? Jeder Schritt der Palästinenser wird von den Israelis überwacht und beizeiten gestoppt, wenn er Israel nicht passt. Die Palästinenser warten schon seit mehr als sechzig Jahren auf einen eigenen, unabhängigen Staat, und insofern ist es zynisch und unverschämt von Benjamin Netanjahu und Barack Obama, zu behaupten, es gebe keine Abkürzung auf dem Weg zum Frieden. Die Palästinenser sind schon sämtliche Umwege gegangen, die sogenannte „Roadmap“ ist für sie zu einem Kreisverkehr geworden, in dem sie sich seit Jahren drehen, ohne, dass die Israelis ihnen auch nur einen Schritt entgegenkommen. Von einer Abkürzung kann daher keine Rede sein; das weiß Obama, das wissen Sie und inzwischen fast die ganze Welt. Immer mehr Staaten sympathisieren offen mit dem Kampf der Palästinenser für Unabhängigkeit von der israelischen Besatzung. Wobei das Wort „Besatzung“ eigentlich ein Euphemismus ist, denn in Wirklichkeit handelt es sich um eine brutale, gewaltsame Kolonisation, einhergehend mit ethnischer Säuberung. Sehen Sie der Wahrheit doch endlich ins Auge.

 

Die Palästinenser sind mit 50 Prozent des Landes zufrieden, dass ihnen die UN 1947 zugeteilt hat, und mit 22 Prozent ihrers ursprünglichen Heimat Palästina, von vor 1947. Sie haben einen Antrag gestellt, nachdem ihnen vor einem Jahr US-Präsident Obama in klaren Worten signalisiert hat, dass er sie „nächstes Jahr“ als vollwertiges Mitglied der Vereinten Nationen begrüßen wolle. Aus der Begrüßung ist jedoch inzwischen eine schroffe Ablehnung geworden. Dass Obama schließlich vor den Israelis und ihremn gewaltigen Druck im Kongress und in der amerikanischen Öffentlichkeit auf die Knien gegangen ist, kann man den Palästinensern nicht vorwerfen, sondern, wenn überhaupt, den Israelis. Wenn Sie, Herr Graumann, das Format eines Leo Baeck, eines Martin Buber oder eines Uri Avnery hätten, dann würden Sie im Namen der jüdischen Ethik und im Namen der deutschen Juden, die Sie nun mal repräsentieren, Israel auffordern, endlich den Antrag der Palästinenser zu unterstützen. Solange Sie das aber nicht tun, werde ich nicht müde, zu behaupten, dass Sie mich nicht vertreten, niemals.


 

Nur als zwei gleichberechtigte und gleich souveräne Staaten können Palästinenser und Israelis miteinander Frieden schließen. Wenn aber „Experten“ wie Sie auch weiterhin leichtfertig Gift und Misstrauen verbreiten und weiter ihre unmaßgebliche und leider auch vollkommen inkompetente Meinung von sich geben, wird jede weitere Chance für die Zukunft verspielt. Sie behaupten leichtfertig und arrogant, dass die Palästinenser „wieder dabei sind, alle Möglichkeiten zu einem wirklichen Ausgleich auszulassen“. Sie denken dabei wohl an den berühmten Ausspruch Abba Ebans: „Die Palästinenser nutzen jede Gelegenheit, eine Gelegenheit zu verpassen“. Die Chance, die hier verspielt wird, ist nicht die Chance der Palästinenser, sondern die Chance der Israelis. Die Palästinenser sind ein geduldiges Volk, sie haben die 200 Jahre währende Herrschaft der Kreuzritter überlebt, die fast 700 Jahre andauernde Herrschaft der Osmanen und 30 Jahre britischer Herrschaft. Sie werden auch die Herrschaft der Israelis überleben, wenn die Israelis nicht bald aus dem Leben im Nebeneinander, ein Leben im Miteinander machen. Schon Martin Buber hat vor fast 100 Jahren gesagt: Wenn aus dem Nebeneinander nicht bald ein Miteinander wird, dann wird es am Ende ein zu einem Gegeneinander ausarten. Bei einem Gegeneinander haben aber die Palästinenser den längeren Atem und die größere Geduld. Denn, lieber Herr Graumann, wir Juden sind doch bekannt als ein sehr ungeduldiges Volk.


 

Last but not least darf ich Ihnen dazu noch Folgendes sagen: Bevor die Kreuzritter ins Heilige Land kamen, lebten dort schon die Menschen, die man heute Palästinenser nennt. Wenn Sie aber zeitgeschichtlich linear zurückgehen, dann werden Sie zwangsläufig herausfinden, dass diese Menschen, die Mitte des 7. Jahrhunderts Muslime geworden sind, vorher, im 4. Jahrhundert, Christen geworden waren und davor Juden gewesen waren –, nichts anderes also, als unsere antiken Schwestern und Brüder, auf die wir ja unseren angeblichen Anspruch auf Palästina stützen. Es ist also die Ironie der Geschichte, dass die Palästinenser die direkten Nachfahren der antiken Juden sind, während solche Juden wie Sie und ich nur auf Umwegen die Nachfolger des antiken Judentums sind. Es ist der Treppenwitz der Geschichte, dass wir heute so brutal und kompromisslos gegen die Nachkommen unserer eigenen Vorfahren kämpfen. Allerdings ist es eine altbekannte Weisheit, dass Auseinandersetzungen innerhalb der Familie brutaler sein können, als die mit Fremden

 

 

"Der Semit" - Heft 4 August/September 2011
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