Mag
sein, dass ich bau in der Luft meine Schlösser,
Mag sein, dass mein Gott
ist im ganzen nicht da.
Im Traum ist mir heller;
im Traum ist mir besser,
im Traum ist der Himmel
noch blauer als blau;.
Mag sein, dass ich wird mein Ziel nicht
erreichen.
Mag sein, dass mein
Schiff wird nicht kommen zum Steg.
S´geht mir nicht darum,
ich soll was erreichen;
S´geht mir um den
richtigen Weg.
Josef Papiernikoff,
1924
Reuven Moskovitz, Jerusalem
Daniel Barenboim und sein Orchester, das
West-Eastern-Divan Orchestra
S
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreunde,
ich
bin Jude und Israeli aus Jerusalem, der sein ganzes Leben dem Frieden,
der Versöhnung und der Vergebung widmet.
Ich
begrüße Sie als Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Konzertes. Dieses
Konzert ist nicht nur ein hervorragendes Kultur-Kunst- oder
musikalisches Ereignis, sondern beinhaltet auch ein tiefsinniges
politisches Symbol. Es ist ein Beweis, dass es nicht Krieg zwischen
Juden und Arabern gibt, sondern dass es Juden und Araber gibt, die auf
Konflikt, Krieg und Hass gerichtet sind und Juden und Araber, die sich
der Liebe, dem Frieden und der versöhnenden Kunst verpflichtet fühlen.
Als
Überlebender und Opfer von Krieg, Hass, Verfolgung und rassistischer
Vorurteile beschäftigt mich mein ganzes Leben die Frage wie man den
Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt überwinden kann.
Eine
der überzeugenden Antworten erleben wir an diesem Abend. Ein Spruch der
jüdischen Weisen heißt:
Ein Held ist, wer seinen
Feind zum Freund macht.
Daniel Barenboim und sein zusammen gestelltes Orchester, das
West-Eastern-Divan Orchestra, sind die Helden unserer Zeiten und nicht
diejenigen, die sich gegenseitig in hoffnungs- und sinnlosen Kriegen
umbringen, diejenigen, die Teile unserer Welt in Brand gesetzt haben,
wie im Libanon, in Israel, Palästina, Afghanistan und im Irak.
Vor
32 Jahren habe ich mich überwunden nach Deutschland zu fahren um den Weg
Deutschlands von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus zu
studieren. Ich habe mir die schmerzhafte Frage gestellt: Ob nicht auch
wir Juden, ein Volk das Jahrtausende durch die Macht des Geistes und der
Gewaltlosigkeit überlebte, als Anbeter der Gewalt nicht auch gefährdet
sind, daran zugrunde zu gehen. Zutiefst überrascht habe ich nicht nur
die zerstörerischen Denk- und Handelsstrukturen des Dritten Reiches
erkannt, von denen auch unsere Machthaber schwer kontaminiert sind. Ich
habe auch eine neue deutsche Identität entdeckt: Die erstaunliche
Fähigkeit des Übergangs von tief eingeprägtem rassistischem
Vernichtungswahn zu einer erfolgreichen Friedens- und
Versöhnungspolitik, die zu einer Friedensidentität geführt hat. Diese
Tatsache hat mich 1974 dazu bewegt, einen Brief an deutsche Freundinnen
und Freunde unter dem Titel „Es gibt ein Deutschland, dass ich liebe“ zu
schreiben. Bewegt und berauscht von dieser neuen deutschen Identität hat
sich bei mir die Hoffnung entwickelt, dass von Deutschland aus die
aktivsten und unablässigsten Versuche kommen könnten und müssten, um zu
Frieden und Versöhnung zwischen uns Juden und den Palästinensern zu
gelangen. Zu meinem tiefsten Bedauern musste ich auch die deutsche
„Schuldidentität“ wahrnehmen. Diese Identität als Ergebnis von Reue und
Scham kann ich verstehen und achten. Nicht nachvollziehen kann ich, wenn
diese Identität für deutsche Menschen bedeutet, mit zweierlei Maß zu
handeln, wenn es um den tragischen jüdisch-palästinensischen Konflikt
geht. Denn dieser Konflikt ist nicht wenig von der deutschen
Vergangenheit geprägt und mit verursacht worden. Ich wage zu denken,
dass, wenn sich die deutsche Außenpolitik mit derselben Entschlossenheit
und Gründlichkeit, mit denen es sich alle ehemaligen Feinde zu
Freunden gemacht hat, sich für einen Frieden zwischen Israel und
Palästina eingesetzt hätte, wäre es nicht zu diesem dramatischen Wirbel
von Gewalt und Gegengewalt gekommen.
Leider hat die Schuldidentität, bewusst oder manipuliert durch unsere
„Meinungsgestalter“, die deutsche Politik und die meisten Deutschen dazu
geführt, sich verlegen und gelähmt ziemlich einseitig in eine falsche
bedingungslose Solidarität mit Israel zu begeben. Bedingungslose
Solidarität mit dem Existenzrecht Israels muss selbstverständlich
sein. Nicht aber mit dem Recht Israels seinen Nachbarn durch Gewalt
Annexionsansprüche aufzuzwingen und Selbstbestimmung zu verweigern.
Im
Vorwort zu der fünften Auflage meines Buches: Der lange Weg zum Frieden
schrieb ich: „Ausgerechnet bei mir, dem verfolgten Juden, hat sich die
Vision eines überwältigenden, von Deutschland ausgehenden Aktes
entwickelt. Dieser Akt sollte so einmalig aufbauend sein, wie der
Holocaust einmalig und zerstörerisch war“.
Daniel Barenboim zeigt seine Größe nicht nur als Dirigent und Pianist
sondern seine politische Einsicht: „Jeder militärische Sieg lässt Israel
politisch schwächer und den Gegner immer radikaler werden. Israel wird
nur Sicherheit haben, wenn es wirklich ein Teil der Familie der Nationen
im Nahen Osten wird. Schafft es das nicht, wird es nicht weiter
existieren. Aber das muss man sagen, dass ist unsere jüdische, unsere
israelische Verantwortung……..
Alles
ist möglich und nur eines nicht: Und das ist eine militärische Lösung“.
Ich
wage Sie aufzurufen die aus der Vergangenheit entstandene Verantwortung
zu übernehmen. Bitte setzen Sie sich mit der Kraft, die Ihnen aus dem
sechzigjährigen Frieden und Versöhnungserfahrung erwachsen ist, für eine
friedensfähige und menschenwürdige Lösung im Nahen Osten ein.
Es gibt keinen Frieden und keine Sicherheit für Israel ohne Freiheit und Frieden für die Palästinenser.
Zur Person:
Reuven Moskovitz ist
Historiker und seit Jahren in der israelischen Friedensbewegung aktiv.
Er ist Mitbegründer des Friedensdorfes Neve Shalom/Wahat Al Salam , in
dem israelische Juden und Palästinenser zusammen leben. Er kämpft für
die Verständigung und Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis
und bemüht sich auch um die deutsch-israelische Versöhnung. Er ist
Preisträger des Mount Sion Award 2001 und des Aachener Friedenspreises
2003.
Sein 1996
erschienenes Buch „Der lange Weg zum Frieden -
Deutschland-Israel-Palästina“ gibt es jetzt in 5. Auflage. Es ist zum
Preis von 13 EU (zzgl. Portokosten) zu beziehen über:
Adalbert Janssen,
Klunderburglohne 1, 26736 Krummhörn (Tel. 04923/ 200).
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