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„Das Boykott-Gesetz verwandelt die
Diktatur der Siedler in die Grundlage des israelischen Gesetzes.“
„Uri Avnery, wird das Boykott-Verbotsgesetz
Sie dazu bringen, nicht mehr zum Boykott der Siedlungen aufzurufen?“
Uri Avnery, einer von Israels prominentesten
linken Aktivisten und der Gründer der Gush Shalom Friedensbewegung,
ist einer der lautstärksten Kritiker des sog. „Boykott-Gesetzes“.
Dieses Gesetz, das die Unterstützung der Regierung hat, würde
verschiedene Sanktionen auf jede Person oder Organisation legen,
die öffentlich zu einem wirtschaftlichen, kulturellen und
akademischen Boykott Israels im allgemeinen oder der Siedlungen im
Besonderen aufruft. Es war für diesen Abend die letzte Billigung
in der Knesset angesetzt, obwohl durch ein last-minute
Problem die Abstimmung hätte aufgeschoben werden können.
Uri Avnery, wird das Boykott-Gesetz Sie
dazubringen, nicht mehr zum Boykott von Waren aus Siedlungen
aufzurufen?
„Das Boykottgesetz ist ein raffiniertes Gesetz.
Es legt nicht kriminelle Sanktionen auf jemanden, der zum Boykott
der Siedlungen aufruft. Wenn es dies täte, hätten wir nicht das
geringste Problem; wir würden ins Gefängnis gehen. Stattdessen
verurteilt das Gesetz jeden, der zum Boykott aufruft, zu einer
Geldstrafe von Millionen Schekel als Kompensation für die Siedler.
„Es gibt keine Grenze für die Summe, die die
Siedler von uns als Kompensation für den Schaden verlangen können,
ohne die Höhe des Schadens beweisen zu müssen. Wenn ich zum Boykott
eines Produktes von Yitzhar aufrufen würde, dann könnte jeder
Einwohner Millionen Schekel als Kompensation verlangen. Das könnte
bis zu astronomischen Summen steigen. Ich denke, dass dieser Schritt
irgendwo auf der Welt einen Präzedenzfall hat.“
Falls es so ist, fürchten Sie Auswirkungen des
Gesetzes auf Proteste gegen die Existenz der Siedlungen?
„Dieses Gesetz macht eindeutig klar, dass nicht
Israel die Kontrolle über die Siedlungen hat, sondern die Siedlungen
Israel kontrollieren. Wie kann man dieses Gesetz nicht fürchten. Wir
müssen uns mit dieser Sache auseinandersetzen und wie wir dagegen
opponieren können.
„Dies ist das drakonischste Gesetz in der
Geschichte Israels. Offensichtlich bin ich davon betroffen. Es ist
kein demonstratives Gesetz ohne Inhalt. Es ist ein bedeutendes
Gesetz, das die Diktatur der Siedler zur Basis des israelischen
Gesetzes macht.“
Aber vielleicht ist das Verhängen eines Boykotts
ein problematisches und gefährliches Mittel?
Vielleicht sollte der Kampf es nicht darauf
absehen, den Unterhalt der Siedler und ihr kulturelles Leben zu
schädigen?
„ Es gibt täglich Dutzende von Boykotts in
Israel. Die Religiösen verhängen Boykotts auf nicht-koschere Läden.
Nach ihrer Ansicht ist das vollkommen in Ordnung. Niemand kann sie
zwingen, in Läden zu kaufen, die Schweinefleisch verkaufen oder sie
daran hindern, den Boykott auf Postern in den Straßen verkünden.
„Vegetarier können Läden boykottieren, die
Fleisch verkaufen. Die Säkularen können die Religiösen, die sie
nicht mögen, boykottieren. Die Religiösen ( die Ultra-Ortodoxen)
boykottieren Buslinien, die Männer nicht von Frauen trennen. Die
Liste ist endlos.
„Wir alle haben einmal Produkte aus Südafrika
boykottiert. Wir boykottierten die Sowjetunion, als sie die Juden
nicht ausreisen lassen wollte. 1933 boykottierten alle Juden die
Produkte von Nazi-Deutschland. Nur ein Boykott ist verboten worden –
ein Boykott gegen die Siedlungen. Sie sind heiliger als alle anderen
Heiligen. Wir haben hier ein Monster geschaffen.
„Sie und ich finanzieren die Errichtung der
Siedlungen mit unsern Steuern. Mit unsern Steuergeldern schützt die
IDF diese Siedlungen. Mit unsern Steuergeldern wird die
Infrastruktur für Wasser, Strom und Straßen in jeden abgelegenen
Außenposten gebaut. Und nun sehen wir, dass die Siedler den Staat
übernommen haben.“
Dieses Gesetz verbietet Boykotts gegen den Staat
Israel im allgemeinen und als ein Teil davon Boykotts gegen die
Siedlungen. Aber Sie haben starke Kritik nur hinsichtlich der
Verfügung hinsichtlich Boykotts gegen die Siedlungen ausgesprochen.
„Der Grund für dieses Gesetz sind Boykotts gegen
die Siedlungen - der ganze Rest ist nur Dekoration. Die Artikel,
die sich auf den ganzen Staat Israel beziehen, können nicht erfüllt
werden und sind dumm.
„Die Tatsache, dass das Gesetz entworfen wurde,
um die Boykotts der Siedlungen zu verhindern, wurde ausdrücklich
während einer Diskussion um diese Sache von dem Knessetkomitee
Gesetz und Gerechtigkeit festgestellt, dem David Rotem vorsteht.
Keiner hat hier versucht, etwas zu verbergen.
„Was die Boykotts gegenüber dem Staat Israel
betrifft, so sind wir dagegen. Ich bin dagegen. Ich habe in
Dutzenden von Vorträgen und Reden dagegen gekämpft, die ich im
Ausland hielt.“
Das Gesetz ruft nicht dazu auf, Bürger zu
bestrafen, die am Boykott teilnehmen; nur die, die öffentlich dazu
aufrufen, ihn auszuführen. Im Prinzip würde keiner etwas zu Israels
Bürgern sagen, die sich z.B. entscheiden, keine Produkte aus den
Siedlungen zu kaufen.
„Das ist vollkommen klar. Das Gesetz bedroht
nicht Leute, die den Boykott ausführen, sondern nur diejenigen, die
zum Boykott aufrufen. Aber zum Boykott aufrufen, ist wie ein anderes
Statement in einem demokratischen Land; es ist ein elementarer Akt
politischen und demokratischen Ausdrucks.
„In Amerika boykottierten sie während der
Bürgerrechtsbewegung Tausende von Geschäften,
die die Schwarzen diskriminierten. Ist es
denkbar, dass irgendeiner jemanden strafen würde, der zu einem
Boykott dieser Art aufruft? Bis vor noch nicht langer Zeit gab es
in den USA Hunderte von Klubs, die nicht von Juden betreten werden
durften; und die Juden kündigten einen Boykott gegen sie an. Ist es
denkbar, dass jemand dies verhindert haben würde? Das wäre
antidemokratisch.
„Dieses Gesetz ist von Grund auf
antidemokratisch. Es unterminiert grundsätzlich die Gleichheit:
Boykott der einen Art ist erlaubt, während Boykotts von anderer Art
verboten sind.“
Der Justizminister hat angekündigt, dass er das
Gesetz in seiner jetzigen Version, verteidigen wolle, wenn eine
Petition dagegen beim Obersten Gerichtshof eingereicht wird. Wie
erklären Sie sich den Widerspruch zwischen seinem Statement und
Ihrer Behauptung, dass das Gesetz anti-demokratisch sei?
„Den Siedlern ist es gelungen, das Rechtssystem
zu terrorisieren. Es sind die selben Siedler und die Hügeljugend,
die wir sahen, wie sie letzte Woche die Straßen wegen der
Siedlerrabbiner, die den Mord an nichtjüdischen Babys befürworten,
blockierten.
„Uns ist nicht klar, wie schnell wir auf einen
Abgrund zugehen – nicht nur auf einen Staat, der vom jüdischen
Gesetz regiert wird, sondern einem Staat, der von Rabbinern der
Siedler beherrscht wird. Dies ist eine reine Diktatur, und dazu eine
rachsüchtige.
„Ich verbrachte die ersten 10 Jahre meines Lebens
in Deutschland. Ich sah, wie Hitler zur Macht kam. Es geschah nichts
Dramatisches. Es war ein kleiner Schritt.
Als mein Vater einige Monate nachdem das
Naziregime zur Macht kam, entschied, Deutschland zu verlassen,
sagten ihm alle Verwandten, er sei verrückt. Heute stehen alle ihre
Namen auf einem Holocaustdenkmal auf dem Platz jener Stadt
(Hannover).
„Wir sind auf einem schnellen Kurs zu einem
Regime dieser Art. Mein ganzes Leben fürchtete ich, diese Worte
sagen zu müssen. Ich sagte immer: ‚Vergiss es, man kann dieses nicht
mit den Nazis vergleichen.’ Das war ein Fehler. Es tut mir leid,
dass ich so gesprochen habe.“
Rachel Avnery, 58 Jahre lang Ihre Frau, starb im
letzten Mai. Und einen Abend des Erinnerns wird am Mittwoch in Tel
Avivs Tzavta Theater sein. In der Einladung schreiben Sie, dass sie
‚eine Partnerin im Kampf’ war.
„Ich wünschte, dies wäre kein Gedenkgottesdienst.
Es gab keinen, der ihr begegnete, der nicht von ihrer einzigartigen
Persönlichkeit beeindruckt war. Rachel war 28 Jahre lang Lehrerin
und lehrte nur in der 1. und 2. Klasse. Hunderte von Kindern waren
ihre Schüler, aber nicht einer vergaß sie. Männer in den 40ern
halten mich auf der Straße an und Frauen im mittleren Alter und
sagen mir: ‚Rachel hat mein Leben verändert.’
„Sie war eine Lebenspartnerin und eine Partnerin
im Kampf. Wir waren 58 Jahre lang eine Einheit. Wenn jemand einen
Arm verliert, fühlt er weiter, als wäre er noch da. Genau in dieser
Situation befinde ich mich. Wenn ich etwas höre, möchte ich schnell
zu Rachel eilen und ihr erzählen. Dann muss ich mich erinnern, dass
es da niemanden mehr gibt, dem ich erzählen kann. Sie hatte einen
sehr, sehr großen Einfluss auf mich.
Rachel wurde nicht beerdigt. Auf ihren Wunsch hin
fand eine Feuerbestattung statt und die Asche wurde im Meer
verstreut. Deshalb hatten all jene, die sie liebten, keine
Gelegenheit, sich von ihr zu verabschieden. Dieser Abend soll ein
Lebe-wohl-Abend werden.
( dt. Ellen Rohlfs)
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