Allerbeste
Freunde
Was
der
Antisemitismus-Beauftragte
nicht
wahrhaben
will:
Israel
und
das
Apartheid-Südafrika
verband
eine
geradezu
innige
Beziehung
Arn
Strohmeyer
-
17.
5.
2020
Wenn in Deutschland Israel als „Apartheidstaat“ bezeichnet wird und
auch noch Vergleiche mit dem Apartheidstaat Südafrika angestellt
werden (wie jetzt in der Debatte um Achille Mbembe), dann klingeln
bei den Antisemitismusbeauftragten und den Anhängern Israels alle
Alarmglocken, und der „Antisemitismus“-Vorwurf folgt auf dem Fuße.
Dabei drängt sich bei einer Analyse der israelischen Realität die
Bezeichnung Apartheid geradezu auf. Im Herrschaftsbereich des
zionistischen Staates leben fünf Millionen Palästinenser ohne
politische und bürgerliche Rechte – weggesperrt hinter Mauern und
Zäunen – in „besetzten Gebieten“, die nichts anderes sind als
Reservate, die man in Südafrika „Bantustans“ oder „Homelands“
nannte. Im Westjordanland gibt es für die jüdische und die
palästinensische Bevölkerung eine getrennte Gerichtsbarkeit und auch
getrennte Straßen. Die Palästinenser im Kernstaat Israel sind in
jeder Weise diskriminiert und deshalb Menschen zweiter Klasse, was
durch das Nationalstaatsgesetz sogar gesetzlich festgeschrieben ist.
Südafrikaner, die Israel und die besetzten Gebiete besucht haben,
haben sich immer wieder in der Weise geäußert, dass die Verhältnisse
dort viel schlimmer seien als im Apartheid-Südafrika, denn in den
Homelands und Bantustans sei die Absperrung nicht so total gewesen
und die weißen Herren hätten dort trotz aller Unmenschlichkeit des
Systems niemals so brutale Militäraktionen durchgeführt wie Israel
im Westjordanland und im Gazastreifen. Wie stand es aber um die
Beziehungen zwischen Israel und dem Südafrika der Apartheid? Haben
die Israelis dieses rassistische System verabscheut und gemieden,
weil die Juden selbst in ihrer Geschichte so oft Opfer des Rassismus
waren? Der folgende Text soll darüber Auskunft geben.
An einem Aprilabend des Jahres 1976 saß der israelische
Psychologieprofessor Benjamin Beit-Hallahmi von der Universität
Haifa in seiner Wohnung vor dem Fernsehgerät und schaute sich die
Abendnachrichten an. Eines der Tagesereignisse, die er das sah,
machte ihn tief betroffen und hatte für seine Arbeit Folgen. Denn
das Fernsehen zeigte, wie der Premierminister des Apartheidstaates
Südafrika, Johannes (John) Vorster, der zum Staatsbesuch in Israel
weilte, in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem einen Kranz
niederlegte. Beit-Hallahmi bezeichnet die Szene als „surreal“: „Dass
das israelische Außenministerium die Taktlosigkeit besaß, einen
aktenkundigen Nazi-Kollaborateur zu einer Gedenkstätte für die Opfer
des Nazismus zu führen und ihn dann einen Vortrag über die Nazis
anhören zu lassen, fand ich höchst erstaunlich.“
Bait Hallahmi konnte es nicht fassen, dass in Israel ein
Nazi-Kollaborateur mit allen Ehren empfangen wurde, der nach
israelischem Gesetz beim Betreten des Landes eigentlich hätte
verhaftet und vor Gericht gestellt werden müssen, stattdessen wurde
er von Ministerpräsident Rabin auf dem Flughafen mit herzlicher
Umarmung begrüßt. Beit-Hallahmi hatte Mühe, das Gesehene politisch
einzuordnen.
Er merkte dazu an: „Ich begann nachzudenken und konnte mich des
Eindrucks nicht erwehren, dass dieses bizarre Ereignis eine ganze
Menge über Israel aussagte. Es war nicht nur die Taktlosigkeit, die
mich störte. Ich hatte das unheimliche Gefühl, Zeuge einer
Inszenierung zu sein, durch die das Unerhörte in Normalität
verwandelt wurde. Das Schauspiel war in der Tat unerhört, aber es
hatte etwas beeindruckend Wahres. Und dann begriff ich: Vorster in
der Holocaust-Gedenkstätte! Was für eine Selbstdarstellung Israels!
Vielleicht zeigte unser Land hier sein wahres Gesicht, präsentiert
zu unser aller Aufklärung von einem mit seltenem komischem Talent
begabten Regisseur. Hier war ein alter Nazi-Sympathisant, und er
bewies mehr Taktgefühl als seine israelischen Gastgeber, gab sie
aber zugleich der Lächerlichkeit und der Kritik preis. Auch wenn die
mannigfaltigen Bedeutungsnuancen dieses szenischen Kunstwerks den
meisten Zuschauern verborgen geblieben sein mögen, so hätte doch
keinem echten Filmregisseur, der nach einer exemplarischen
israelischen Einstellung gesucht hätte, etwas Besseres einfallen
können.“
Beit-Hallahmi dachte über das im Fernsehen Gesehene immer wieder
nach und hatte das Gefühl, „hier auf ein zutiefst symbolisches Bild
gestoßen zu sein, ein Gleichnis für den Charakter des Staates
Israel. So mancher wird dies als eine ungerechtfertigte Übertreibung
oder als unbegründeten Vorwurf empfinden. War es das wirklich? War
dieses surreale Bild nur eine vorbeiziehende Wolke am blauen Himmel
des Zionismus oder war es Bein von seinem Bein, Fleisch von seinem
Fleisch? War es eine Verirrung, oder war es Symptom einer
tieferliegenden, bedeutsamen Wahrheit?“
Der israelische Psychologe nahm das Gesehene zum Anlass, sich tief
in das „Labyrinth“ der israelischen Außenpolitik zu begeben, um die
verborgene Botschaft der im Fernsehen gesehenen Bilder zu
entschlüsseln, das heißt, der Beziehung Israels zur Dritten Welt und
im Besonderen der zu Südafrika, das damals noch der Apartheidstaat
war, auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis dieser Nachforschungen war
das Buch The Israeli Connection, das 1989 auch in der Bundesrepublik
unter dem Titel Schmutzige Allianzen. Die geheimen Geschäfte Israels
herauskam und in der Presse eine sehr positive Aufnahme fand, was
heute wegen der hysterischen Jagd auf „Antisemiten“ kaum noch
möglich wäre.
Der zionistische Staat hat keinerlei Vorbehalte gegen dieses von
Rassismus bestimmte Regime der weißen Herren am Kap erhoben.
Beit-Hallahmi merkt gleich zu Anfang seiner Ausführungen über die
Beziehungen zwischen Israel und der Burenrepublik an: „Die
Geschichte der Partnerschaft zwischen Südafrika und Israel ist eine
Partnerschaft, die auf der Erde ihresgleichen sucht. Israel hat sich
in Südafrika mit Haut und Haaren engagiert, mit höherem Einsatz und
Aufwand als irgendwo sonst, und es hat sich zu einer wichtigen – und
zunehmend unentbehrlichen – Stütze für den Fortbestand des
Apartheidregimes entwickelt. Das Bündnis zwischen Südafrika und
Israel gehört zu den bestgehüteten Tabus in der
Medienberichterstattung der letzten vier Jahrzehnte, und dies obwohl
über viele aufschlussreiche Details aus der Geschichte dieses
Bündnisses irgendwann und irgendwo etwas geschrieben worden ist. (…)
Die Geschichte Israels kennt keine vergleichbare Liaison von solcher
Intimität und Dauer.“
Was nicht verwundert, denn beide Staaten befanden sich in einer sehr
ähnlichen Situation, die der südafrikanische Premierminister Vorster
so erklärte: Israel stehe nunmehr vor einem eigenen Apartheidproblem
im Umgang mit seinen arabischen Einwohnern. Beide Völker seien
gewillt, eher zu kämpfen, als ihre Zukunft ganz in die Hände einer
sie umschließenden Mehrheit zu legen. Führende israelische Politiker
nahmen solche Vergleiche gern auf und stellten Südafrika als
nachahmenswertes Vorbild für das „Problem“ mit den Palästinensern
dar: sie in Bantustans oder Homelands abzuschieben, sie dort
einzusperren und eine „eigene Entwicklung“ nehmen zu lassen. (Das
ist die bisherige israelische Praxis, und das ist auch der Inhalt
des „Jahrhundert-Deals“ von US-Präsident Trump, den Israel nun
umsetzen will.)
Die fast symbiotisch zu nennende Zusammenarbeit umfasste folgende
Bereiche:
•
Israel war für Südafrika der engste militärische Verbündete, der
zionistische Staat lieferte nicht nur Waffen, die Kooperation
erstreckte sich auch auf die Planung und Ausführung gemeinsamer
Rüstungsprojekte, die Zusammenarbeit ging bis zur Arbeitsteilung.
Die Waffenlieferungen umfassten: Gewehre, Panzer, Raketenboote,
Düsenjäger, Gabriel-Raketen, Haubitzen, Radarsysteme, Nachrichten-
und Spionagetechnik, Anti-Guerilla-Alarmsysteme und
Nachtsichtgeräte. Die israelischen Firmen Elbit und Tadiran halfen
beim Aufbau einer rüstungselektronischen Industrie in Südafrika.
Natürlich leistete Israel auch intensive Ausbildungshilfe für das
Militär.
• Die Militärs beider Staaten arbeiteten auch bei der militärischen
Strategie und Planung eng zusammen. Südafrikas Invasionen in Namibia
und Angola verfolgten den Zweck, diese Nachbarstaaten zu
destabilisieren. Vorbild war dabei die israelische Strategie im
Kampf gegen die PLO und die benachbarten arabischen Staaten. So
führten die Südafrikaner schnelle Strafaktionen und Präventivschläge
gegen Guerilla-Bastionen in Drittländern (Lesotho, Mozambique und
Angola) durch. Die Südafrikaner kopierten damit die seit den 60er
Jahren von Israel praktizierten praktizierten Angriffe auf
Stützpunkte des palästinensischen Widerstandes im Libanon oder
Jordanien. Die Israelis unterstützten die Südafrikaner auch deshalb
so intensiv im Kampf gegen den „Terror“, weil sie fürchteten, dass
Misserfolge in dieser Auseinandersetzung die Araber in ihrem Kampf
gegen Israel beflügeln könnten.
• Nach dem Juni-Krieg 1967 und der Eroberung der palästinensischen
Gebiete entwickelte Israel eine ausgefeilte Technik elektronischer
Grenz- und Bewegungskontrollen. Dieses technische Know-how setzten
israelische Experten auch an den südafrikanischen Grenzen ein. Sie
installierten dort Sicherungs- und Detektionssysteme, die das
Einsickern von „Terroristen“ verhindern sollten. Zu der
„elektronische Mauer“ gehörten neben elektronischen Zäunen auch
Mikrowellen-Detektoren, Radaranlagen und Minenfelder.
• Auch die israelischen und südafrikanischen Geheimdienste
kooperierten sehr eng miteinander, wobei die Südafrikaner auch hier
von israelischer Technik und israelischem Know-how profitierten. Die
israelische Sicherheitspolizei Shabak, die mit dem heutigen Shin-Bet
identisch ist, unterhielt in Südafrika eine ständige Mission. Ziel
der gemeinsamen Arbeit war die Durchsetzung und Aufrechterhaltung
des Apartheid-Systems, wobei sich die Shabak auf die Erfolge bei der
Repression der Palästinenser berufen konnte.
• Aus dem bisher Gesagten ergibt sich automatisch, dass auch die
wirtschaftlichen und touristischen Beziehungen zwischen beiden
Staaten sehr eng waren. Israelische Unternehmer investierten gern in
Südafrika, weil das Umfeld freundlich und die schwarzen
Arbeitskräfte billig waren. Die wirtschaftliche Kooperation schlug
sich in zahlreichen offiziellen Abkommen nieder. Auch in den
„unabhängigen“ Homelands und Bantustans investierten Israelis.
Israelische Experten halfen dort bei den verschiedenen
Aufbauprojekten. Es bestanden fast formelle zwischenstaatliche
Kontakte zwischen Israel und diesen Bantustans. Zur Ciskei und ihrem
Präsidenten Sebe, einem grausamen Diktator, pflegten Israel und
seine Politiker besonders herzliche Beziehungen. Dass Investitionen
in Südafrika und auch in den Homelands zu tätigen, eine
Unterstützung für die Apartheid war, betrachteten die Israelis nicht
als Sünde, sondern als Zukunftssicherung. Es gab im Übrigen sehr
viele Israelis, die damals nach Südafrika ausgewandert sind.
• Am brisantesten war die Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten auf
dem nuklearen Gebiet. Atomwaffen betrachtete Israel vom Beginn
seiner Existenz an als Grundbedingung seines Überlebens als Staat,
aber auch der Apartheidstaat Südafrika machte sein weiteres
Überleben vom Besitz solcher Waffen abhängig. Beide Staaten
ergänzten sich in diesem Ziel also in idealer Weise. Zudem sind
Atomwaffen ein geeignetes Mittel der Abschreckung, Erpressung und im
Ernstfall der Vergeltung. In den 1950er und 1960er Jahren hatte
Frankreich die Voraussetzungen geschaffen, dass Israel Atommacht
werden konnte, indem es dem israelischen Reaktor- und Nuklearkomplex
Dimona dazu verhalf, Uran in Plutonium umzuwandeln und damit die
Bombe herstellen zu können. Israel besaß natürlich auch die
wissenschaftlichen Kapazitäten für die Entwicklung seines
Atomprogramms, andernfalls hätte es ein solches Projekt gar nicht in
Angriff nehmen können. Es soll sogar gemeinsame
französisch-israelische Atombombentests in der Sahara gegeben haben.
Für Israel genoss die Herstellung „kleiner“ taktischer Atomwaffen
Priorität, die auf den Einsatz in der nahöstlichen Region
zugeschnitten sein sollten. Eine solche Lösung entsprach auch den
südafrikanischen Bedürfnissen.
Südafrika besitzt bedeutende Uranvorkommen und war schon deshalb der
ideale Partner für Israel. Ab 1957 soll es Uranlieferungen
Südafrikas nach Dimona gegeben haben. Auch bei der Entwicklung von
Trägerraketen arbeiteten beide Seiten eng zusammen. Israel lieferte
seinem Verbündeten am Kap Jericho-Raketen und beide produzierten –
in Kooperation mit Taiwan – mit Atomsprengköpfen bestückte
Marschflugkörper. Es versteht sich, dass die atomare Zusammenarbeit
höchster Geheimhaltung unterworfen war. Es soll sowohl auf See wie
auch in der Wüste Kalahari gemeinsame Bombentests gegeben haben.
• Die Ähnlichkeit der Systeme verband die beiden Staaten und ihre
Menschen in einer engen Freundschaft. In Südafrika unterdrückten die
Weißen die schwarze Mehrheit, in Israel unterdrücken die
zionistischen Herren des Landes die gleichstarke palästinensische
Bevölkerung. Zudem verband sie die aus dieser Situation
resultierende Sorge um das Überleben der jüdischen Israelis und der
weißen Südafrikaner. Das gegenseitige Vertrauen gipfelte in der
atomaren Zusammenarbeit. Beit-Hallahmi merkt dazu an: „Eine nukleare
Allianz ist heute wohl die Krönung einer Beziehung zwischen zwei
Staaten. Ein auf Plutonium gegründetes Bündnis ist eine
Blutsbrüderschaft im furchtbarsten Sinne des Wortes und verdient es,
sehr ernst genommen zu werden.“
Als das südafrikanische System in die Endphase geriet, sein
Zusammenbruch abzusehen war und in der ganzen Welt gegen die weiße
Minderheitsherrschaft dort demonstriert wurde, erhob sich in Israel
keine kritische Stimme gegen die Apartheid. Israelische Unternehmen
führten ihre Projekte unbeirrt weiter, israelische Touristen machten
weiter in Südafrika Urlaub und die israelische Regierung
unterstützte den Apartheidstaat beratend, wie man die Imagewerbung
für sein inhumanes und menschenrechtswidriges System verbessern
könnte.
Man tat alles, um dem Apartheidstaat das Überleben zu sichern,
schickte sogar Experten zur Aufstandsbekämpfung dorthin, denn man
war sich in Tel Aviv und Jerusalem bewusst, dass Israel im Fall des
Zusammenbruchs des Apartheidsystems den für das eigene Überleben
engsten und wichtigsten Freund und Partner verlieren würde. Als der
worst case zu Beginn der 1990er Jahre eintrat, die weiße Herrschaft
zusammenbrach und die schwarze Mehrheit durch freie Wahlen an die
Macht kam, muss in Israel Weltuntergangsstimmung geherrscht haben.
Denn der Machtwechsel hatte nicht nur bewiesen, über wie wenig
Realitätssinn und Zukunftsorientierung die israelische Politik
verfügte, sie musste auch die Angst wecken, dass auch das
israelische Apartheidsystem auf Sand gebaut ist und keine Zukunft
haben kann.
17.05.2020
Dokumentation
- Philosoph
Achille
Mbembe
- Unter
"Antisemitismusverdacht"
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